"Österreichs Ärzte sind sicher nicht privilegiert!"

Prof. Dr. Thomas Szekeres, 54, ist Humangenetiker und Facharzt für klinische Chemie und Labordiagnostik.

Prof. Dr. Thomas Szekeres, 54, ist Humangenetiker und Facharzt für klinische Chemie und Labordiagnostik.

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres im Talk über Österreichs Mehrklassen-Medizin, falsche Ärzte-Klischees und warum er sich mehr Gesundheitserziehung an Schulen wünscht. Plus: Wie fit ist er selbst?

Tee oder Kaffee?
Thomas Szekeres: Kaffee mit Milch, ohne Zucker. Tee trinke ich nur, wenn ich krank bin.
Apropos: Woran krankt es denn derzeit am meisten im österreichischen Gesundheitssystem?
Szekeres: Es sind zu viele Player im Gesundheitssystem. Die Aufgaben sind aufgeteilt zwischen Ländern, Bund, Krankenkassen – und alle haben unterschiedliche Inte-
ressen. Der Patient wird vom Spital in den niedergelassenen Bereich geschickt. Die Krankenkassen hätten lieber, dass die Patienten in den Spitälern behandelt werden. Insgesamt versuchen alle, Geld zu sparen – zum Nachteil der Patienten. Man hat eine Gesundheitsreform ausgerufen, die in Wirklichkeit eher ein PR-Gag war. Zumindest kann man bis jetzt nicht sehr viel davon sehen.
Was wünschen Sie sich?
Szekeres: Wir würden uns zum Beispiel eine Aufwertung des Hausarztes wünschen. Das schätzen auch die Patienten sehr: einen Arzt, der die Menschen über Jahre begleitet, der den Gesundheitszustand seiner Patienten genau kennt und auch Veränderungen feststellen kann. Das gehört gefördert.
Wie kann man das fördern?
Szekeres: Etwa indem man dem Hausarzt ermöglicht, mehr medizinische Leistungen anzubieten – vom Lungenfunktionstest bis zu Ultraschalluntersuchungen. Oder auch gewisse Laboruntersuchungen. Dadurch kann man dem Patienten viele Wege ersparen.

Ein Problem sind auch überfüllte Praxen und sehr lange Wartezeiten ...

Szekeres: Wartezeiten gibt es leider überall, besonders bei den Kassenärzten. Der Trend geht in Richtung Privatmedizin. Wenn man es sich leisten kann, kann man sich alles sofort kaufen. Wenn man jedoch auf die Sozialversicherung angewiesen ist, gibt es Engpässe. Wir haben eine Mehrklassenmedizin, aber wir jammern auf sehr hohem Niveau. Unser System ist insgesamt besser als in vielen Ländern. Aber wir müssen verhindern, dass es schlechter wird.

Sind Österreichs Ärzte privilegiert?

Szekeres: Nein, sicher nicht. Österreichs Ärzte sind wesentlich ärmer, als kolportiert wird. Dieses Klischee vom reichen Arzt mit dem großen Auto, das trifft vielleicht auf einige wenige zu. Aber die breite Masse hat ein akzeptables Einkommen. Ein praktischer Arzt in Wien hat ein Bruttoeinkommen von etwa 5.000 Euro im Monat. Das ist jetzt mehr als ein Durchschnittsösterreicher verdient, aber nicht so viel, wie dem Klischee entsprechen würde. Die Ärzte sind ihren Patienten sehr verbunden, machen ihren Beruf gerne und sicherlich nicht wegen eines finanziellen Vorteils.
Wann waren Sie das letzte Mal beim Arzt?
Szekeres: Vor ein paar Monaten, beim praktischen Arzt. Und ich habe nicht warten müssen, weil ich einen Privattermin vereinbart habe.
Würden Sie sich selbst als fit bezeichnen?
Szekeres: Na ja, ich versuche, relativ fit zu bleiben. Ich mache regelmäßig Sport, hauptsächlich in meinem Fitnesscenter (im Manhattan Fitnessclub in 1190 Wien, Anm.). Dort habe ich auch einen Personal Trainer, der mit mir mindestens einmal pro Woche Übungen macht. Sonst würde ich den doch relativ stressigen Alltag nicht so gut bewältigen.
Gehen Sie auch laufen oder walken in der Natur?
Szekeres: Nein, in der Natur bin ich eher weniger. Das schaffe ich zeitlich nicht, und man ist abhängig vom Wetter. Das Fitnesscenter hat den Vorteil, dass man auch bei schlechtem Wetter trainieren gehen kann. Und wenn es zu heiß ist, ist es klimatisiert.
Worauf achten Sie bei Ihrer Ernährung?
Szekeres: Ich versuche nicht zu viel, aber dafür gesund zu essen. Zum Frühstück trinke ich nur Kaffee, mittags gibt es eine Kleinigkeit, wie ein Weckerl mit Käse. Und am Abend versuche ich möglichst wenig Kohlenhydrate, viel Gemüse und oft Fisch zu essen. Ich wäre schon anfällig für Süßes, aber ich versuche zu widerstehen.
Gehen Sie regelmäßig zur Gesundheitsvorsorge?
Szekeres: Eigentlich schon. Ich unterstütze auch Aktionen wie „Loose Tie“ der Österreichischen Krebshilfe, die Männer an die Prostata-Untersuchung erinnert, persönlich und durch die Kammer. Sämtliche Vorsorgeuntersuchungen werden beworben und unterstützt und wir haben immer wieder auch Kampagnen, wo wir über einzelne Krankheiten informieren, Broschüren auflegen oder Pressekonferenzen veranstalten.
Rauchen Sie?
Szekeres: Nein. Ich habe aufgehört.
Sind Frauen gesundheitsbewusster als Männer?
Szekeres: Vermutlich. Frauen sind in vielen Fällen vernünftiger, was ihr Essverhalten und Übergewicht betrifft. Leider aber holen sie beim Rauchen auf – mit Konsequenzen für den Gesundheitszustand. Wir haben einen Aufholbedarf bei der Jugend. Was Rauchen und Alkohol betrifft, sind wir Letzter im OECD-Raum. Ich plädiere für mehr Gesundheitserziehung in der Schule und Prävention vom Kindergartenalter an.
Sie wünschen sich also ein eigenes Fach „Gesundheit“ in der Schule?
Szekeres: Ja, ich wünsche mir ein Fach Gesundheitserziehung in Schulen und Kindergärten, wo man den Kindern und Jugendlichen, solange sie noch gesund sind, erklärt, worauf sie achten müssen. Beim Thema Vorsorge sehe ich immer noch Defizite in Österreich. Man müsste viel früher ansetzen und verhindern, dass man überhaupt krank wird – von ärztlicher, aber auch auch von öffentlicher Seite. Den Zugang zu den gesunden Jugendlichen haben die Ärzte normalerweise, auch als Schulärzte. Aber da gehört wesentlich mehr gemacht.
Ja, es gibt viel zu tun. Fühlen Sie sich gestresst?
Szekeres: Eigentlich nicht. Wenn es wirklich sehr dicht wird, dann sage ich Termine ab. Auch körperliche Betätigung hilft, Stress abzubauen.

Was gibt Ihnen Kraft? Glauben Sie an Gott?

Szekeres: Ich glaube an eine höhere Macht, aber ich würde mich nicht als religiös bezeichnen. Ich glaube, es gibt etwas Ordnendes zwischen Himmel und Erde.