Dürfen Allergikerinnen stillen?

Dürfen Allergikerinnen stillen?

Muttermilch ist ein Alleskönner: Gesunde Fettsäuren, Mineralstoffe und Vitamine versorgen das Baby in den ersten Lebensmonaten mit lebenswichtigen Stoffen. Zudem ist Muttermilch leicht verdaulich, enthält Antikörper und schützt vor Keimen. Doch wie gesund ist Muttermilch bei Allergien? Hebamme Dr. Judith Kluck erklärt, ob Allergien durch Muttermilch übertragen werden und wie man das Neugeborene vor allergischen Erkrankungen schützt.

Können Allergien durch Muttermilch übertragen werden?
Dr. Judith Kluck: Potentielle Allergene können durch die Muttermilch auf das Kind übertragen werden. Dies kann dazu führen, dass das Kind gegenüber diesen Allergenen tolerant wird. In selteneren Fällen kann es auch zu einer Sensibilisierung kommen, sodass sich das Allergierisiko erhöht. Ob ein Kind eine Allergie tatsächlich entwickelt, hängt jedoch von diversen Umweltfaktoren ab.


Welche Umweltfaktoren sind das?
In Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollten keine Katzen gehalten werden. Zudem sollte auf ein Innenraumklima geachtet werden, das keine Schimmelbildung begünstigt und schadstoffarm ist. Diverse Studien belegen, dass Umweltschadstoffe (wie Tabakrauch oder Luftschadstoffe) das Asthmarisiko signifikant erhöhen. Auch besteht eine positive Korrelation zwischen der Entwicklung von Asthma und Übergewicht. Übertriebene Hygiene, wie das tägliche Baden des Babys, kann die Entstehung von Neurodermitis begünstigen und beeinträchtigt die gesunde Entwicklung des Immunsystems.


„Es mehreren sich übrigens die Hinweise darauf, dass Kinder, die durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen, ein erhöhtes Allergierisiko haben!"

Das bedeutet, wenn ich auf diese Faktoren achte, können bzw. sollen Allergikerinnen ihre Babys stillen?
Generell wird Allergikerinnen das Stillen – wie allen anderen Frauen – in den ersten vier bis sechs Monaten empfohlen. Diverse Studien belegen, dass Muttermilch die beste Säuglingsnahrung in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten darstellt. Gegen das enthaltene körpereigene Eiweiß kann keine Allergie entwickelt werden. Die minimalen Spuren an Allergenen tragen normalerweise zu einer schrittweisen Toleranzentwicklung des kindlichen Immunsystems bei. Zusätzlich beinhaltet Muttermilch Immunmodulatoren, die zur gesunden Entwicklung des Immunsystems beitragen und die Ausreifung der Darmschleimhaut fördern. Die in der Muttermilch enthaltenen komplexen Zucker beinhalten Sialinsäure, welche probiotisch wirkt. Muttermilch kann somit zur Verminderung eines bestehenden Allergierisikos beitragen und hat im Hinblick auf die Entwicklung von Asthma oder Neurodermitis eine potenziell protektive Wirkung.

Welche Rolle spielt die Ernährung?
Die mütterliche Ernährung spielt sowohl in der Schwangerschaft, als auch während der Stillzeit eine Rolle. Der Konsum von Gemüse und Früchten liefert Antioxidantien und probiotische Faktoren, die (ebenso wie langkettige Omega-3-Fettsäuren) mit einer niedrigen Allergieprävalenz assoziiert sind. Für die Ernährung des Neugeborenen gilt: Sollten Frauen mit Allergierisiko nicht stillen wollen oder können, wird eine Ernährung mit hypoallergener Säuglingsnahrung (mindestens bis zum Beginn des fünften Lebensmonates) empfohlen. Das darin enthaltene Milcheiweiß ist bereits chemisch vorgespalten, um das allergene Potential zu minimieren.


"Säuglingsnahrungen auf der Basis von Sojaeiweiß-, Ziegen- oder Stutenmilch sind zur Allergieprävention nicht geeignet.“

Eine antioxidative Ernährungsweise während der Schwangerschaft kann das Allergie-Risiko des Babys mindern


Ab welchem Alter wird eine Allergie eines Kindes sichtbar?
Zu welchem Zeitpunkt sich eine Allergie manifestiert, ist schwer zu sagen und hängt von vielen Umwelteinflüssen ab. Asthma oder Neurodermitis entwickeln sich bei Kindern mit familiärem Risiko eher im Kleinkindalter. Das bedeutet aber nicht, dass keine spätere Ausprägung mehr stattfinden kann. Allergische Reaktionen auf Lebensmittel wie Kuhmilch, Hühnereiweiß, Fisch, Soja oder Nüsse treten meist erst mit Einführung von Beikost auf. Allerdings wird schwangeren Frauen und stillenden Müttern nicht länger empfohlen, auf diese Nahrungsmittel zu verzichten, da keine Verminderung des Allergierisikos festgestellt wurde.

Hebamme Dr. rer. nat. Judith Kluck