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"Zwei- bis dreimal Sport pro Woche ist das Minimum"

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Jede Art von Bewegung trägt zu einem gesünderen Lebensstil bei.
Jede Art von Bewegung trägt zu einem gesünderen Lebensstil bei.© iStock©iStock
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Der Wiener Unfallchirurg und Sportmediziner Dr. Alexander Mildner über die positiven Wirkungen von Bewegung und das richtige Trainingspensum.

Bei welchen Erkrankungen hat Bewegung nachweislich positive Effekte?

Die Effekte von Sport in der Therapie von Erkrankungen sind derart mannigfaltig, dass ich plakativ nur einige Beispiele herausgreifen möchte: Bei Osteoporose hat sich Krafttraining in der Therapie als effizienter erwiesen als jedes Medikament. Auch in der Prävention entscheidet sportliche Aktivität – speziell Krafttraining – von Mädchen im Kindes- bis ins Jugendalter, über die Wahrscheinlichkeit im späteren Leben an Osteoporose zu erkranken. Regelmäßiger Sport kann auch vor dem Ausbruch bösartiger Erkrankungen wie Krebs schützen. Und wenn es einmal so weit ist, wird Sport eingesetzt, um die Chemotherapie verträglicher zu machen. Vor allem für Dickdarm- und Brustkrebs hat Sport einen nachgewiesen protektiven Effekt.

Sport schützt auch das Herz. Richtig?

Bereits geringe sportliche Aktivität wie Spazieren gehen oder Stufen Steige bis hin zu hochintensiven Trainingsbereichen haben eine Schutzfunktion gegen Herz-Kreislauf Erkrankungen- – und das effizienter als jedes Medikament. Interessanterweise bewirkt Krafttraining eine effizientere Senkung des Blutdrucks als Ausdauertraining. Der Mechanismus dahinter kann vor allem durch die Myokine erklärt werden: diese Botenstoffe werden vom Muskel bei körperlicher Aktivität ausgeschüttet und haben ähnlich wie Hormone Effekte auf alle Organe und Strukturen im menschlichen Körper: Erweiterung von Gefäßen, Senkung des Blutdrucks, Wachstumsstimulus auf das Skelett. Und: sie neutralisieren freien Radikale, die an der Krebsentstehung beteiligt sind.

Auch Infarkt-Patienten empfiehlt man, möglichst rasch wieder mit Aufbautraining zu beginnen. Welche Sportart ist hier ideal?

Training wird bereits frühzeitig in der Rehabilitation nach dem Infarktgeschehen eingesetzt– beginnend mit Physio- und weiter Trainingstherapie. Nach und nach erlernt der Patient Übungen, die er auch in häuslichem Umfeld weiter durchführen kann. Als Hilfsmittel sind hier Therabänder oder leichte Zusatzlasten ausreichend oder, wenn vorhanden, ein Ergometer – man benötigt keinen Maschinenpark.

Das weitere Training richtet sich nach den Interessen des Patienten beziehungsweise nach Sportarten, die vor dem Infarkt durchgeführt wurden. Bedenken muss man, dass Patienten nach dem Infarkt häufig Medikamente einnehmen, die die Blutgerinnung verzögern. Somit scheiden aufgrund der Blutungsgefahr alle Kontaktsportarten und solche mit erhöhter Sturzgefahr aus. Ideal erweist sich eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining. Letzteres kann man bei niedriger Intensität auch gut zur Regeneration einsetzen. Nachdem bei den meisten Betroffenen auch Übergewicht vorliegt, ist zusätzlich zur sportmedizinischen Beratung eine kompetente diätologische Begleitung essentiell.

Warum ist Muskelaufbau so wichtig?

Wenn man bedenkt, dass bereits zwei Wochen körperliche Inaktivität (Bettruhe nach Operationen oder auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen) zu einem Verlust von etwa 30 bis 40% der Maximalkraft führen, und das Muskelkorsett vermutlich vor der Erkrankung bereits nicht gerade athletisch war, so sieht man, wie wichtig der Wiederaufbau von Muskulatur ist. Dies ist durch kein Medikament sondern nur durch Training zu bewerkstelligen.

Welche Lasten sind nun beim Krafttraining in der Rehabilitation entscheidend?

Fälschlicherweise haben sogar viele Therapeuten Angst vor Zusatzlasten und meinen, dass Training mit Lang- oder Kurzhanteln zu einer Überlastung führt. Doch das Gegenteil ist der Fall! Die Belastung für alle Gelenke ist bereits bei Nordic Walking und Lauftraining um ein Vielfaches höher als etwa bei Training mit 5 bis10 kg Zusatzlast – nämlich bei dem 3- bi 5-fachen des Körpergewichtes!

Wie findet man die Belastungsgrenze?

Die richtige Dosierung der Zusatzlast für effizienten Muskelaufbau ist keine komplexe Rechenaufgabe, sondern richtet sich nach der Zahl der schaffbaren Wiederholungen. Diese liegt nicht nur in der Rehabilitation bei etwa 10 bis 12 schaffbaren Wiederholungen. Wenn man bereits 18 bis 20 Wiederholungen bewältigt, so muss die nächste Last gewählt werden, so dass wieder nur 10 bis 12 Wiederholungen durchgeführt werden können. Das heißt: die 10. „läuft“, die 11. „quietscht“ und die 12. „schaffe ich nicht mehr“. Ein rein gymnastisches Durchbewegen von Gelenken mit hoher Wiederholungszahl (20 der mehr) ist eher als Beschäftigungstherapie zu werten.

Viele Menschen haben Schmerzen im Bewegungsapparat. Warum sollten sie dennoch nicht auf Bewegung verzichten?

Eine kurz gefasste Antwort auf eine sehr weit gespannte Frage: weil Bewegung nachhaltiger Schmerzen lindert als jedes Medikament. Betroffen sind hier Kinder mit Wachstumsschmerzen ebenso wie Erwachsene mit dem Klassiker „Kreuzweh“ bis hin zu Senioren, die frisch gestürzt und gar operiert, wieder gehen lernen wollen. Allen gemein ist die Notwendigkeit, Muskulatur mittels Training wieder herzustellen und auch Beweglichkeiten zu verbessern. Dehnen oder passive Therapien alleine hilft hier nicht.

Durch gezieltes Krafttraining werden Knochen, Bänder und Sehen gestärkt und über den Weg einer stärkeren Muskulatur auch Gelenke entlastet. Dieser Effekt ist bereits bei Kindern ab dem Alter von 8 Jahren nachgewiesen. Nach dem Prinzip „form follows function“ kann man speziell im Kindes- und Jugendalter durch gezieltes Training Haltungsfehler „wegtrainieren“. Der nachhaltige Aspekt daran: in der Kindheit angelegt Strukturen und Bewegungsmuster bleiben bis in das Erwachsenenalter erhalten!

Weiters gibt es eine Untersuchung, wonach ein trainierter Sportler bei einem Sprung aus 1m Höhe etwa 95 Prozent der Energie beim Landen muskulär abfedern kann, ein Untrainierter nur etwa 25 Prozent. Das erklärt, warum Nichtsportler mehr zu Gelenksbeschwerden neigen, oder warum Muskelaufbau Gelenke entlastet.

Wie finde ich die für mich passende Sportart?

Die richtige Wahl und Dosierung des Sports ist essentiell. Das so gepriesene Nordic Walking – richtig betrieben und nicht nur ein „Stöcke spazieren tragen“ – ist lange nicht so schonend, wie angenommen: schon bei leichten Bergabstrecken kann bei jedem Aufsetzen des Fußes die Stoßwirkung des Laufens (also das 3-5 fache des Körpergewichts!) erreicht und sogar übertroffen werden. Dies führt dazu, dass zum Beispiel Kniebeschwerden sich verstärken oder bei der weit verbreiteten schwachen Rumpfstabilisation Schmerzen an der Lendenwirbelsäule auftreten können. Aber Achtung: eine generelle Empfehlung zu geben wäre unseriös. Bei Schmerzen am Bewegungsapparat muss eine individuelle Strategie gefunden werden, damit der sportliche Wiedereinstieg nicht sofort von Schmerz bestraft wird. Vor allem Sportmediziner sind die richtigen Ansprechpartner bei der Beratung und Begleitung des sportlichen Wiedereinstiegs.

Sport trägt wesentlich zu einem gesunden Lebensstil bei: Wie oft müssen wir pro Woche aktiv sein, um von den positiven Effekten zu profitieren?

Möchte man gezielt trainieren, um seine Haltung zu verbessern, Schmerzen entgegen zu wirken, sportliche Ziele zu erreichen, oder zu verbessern, so ist zwei bis drei Mal Training pro Woche das absolute Minimum. Angesichts der dramatischen Entwicklung, dass in den letzten 50 Jahren die durchschnittliche Gehstrecke von 25 km auf 2,5 km pro TAG abgenommen hat (!), bereits ¾ der Mädchen und etwa die Hälfte der Buben in der Volksschule an Haltungsfehlern leiden, die durch Bewegungsmangel verursacht werden, ist es einleuchtend, wie immens der Bedarf ist, überhaupt Bewegung ins tägliche Leben zu „zaubern“. Das beginnt beim Spielen im Freien, Stufensteigen und Spazierengehen.

Genügt Bewegung im Alltag oder muss man sich richtig auspowern?

Bereits niedrige Belastungsintensitäten haben eine „protektive“ Wirkung, etwa vor Herz-Kreislauf Erkrankungen. So haben zum Beispiel Senioren mit Hunden eine höhere Lebenserwartung und -qualität als jene ohne. Speziell beim Untrainierten haben schon niedrige Intensitäten einen Trainingseffekt, nur sollte die Belastung konsequent gesteigert werden.

Was mache ich, wenn ich für Sport zu müde bin? Oder etwas erkältet?

Müdigkeit kann harmlos oder bereits ein Alarmzeichen sein: so habe ich vor Jahren bei einem Nachwuchssportler, der nur mit Müdigkeit und dem Wunsch nach einer Trainingsempfehlung zu mir gekommen ist, als Ursache eine Herzmuskelentzündung feststellen können. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn hier jemand sagt: „Da musst du drübergehen!“ Auch ein Übertrainingssyndrom oder ein Infekt können Ursache von Müdigkeit sein. Für Infekte gilt: Ohne Fieber kann niedrig intensives Training im regenerativen Bereich die Heilung unterstützen, bei Fieber heißt es immer: „Stop!“

Was tun Sie selbst, um fit zu bleiben?

Leider zu wenig. Ich mache unregelmäßig Sport, rauche aber wenigstens nicht.

Der Experte:

Dr. Alexander Mildner ist Unfallchirurg, Allgemein- und Sportmediziner. Es ist ihm wichtig, rasch perfekte Operationsresultate abzuliefern. „Aber nicht alles, was schmerzt, gehört operiert. Jeder Schmerz hat seine Ursache, die vor allem trainingstechnisch behoben gehört.“ Mit der Erfahrung aus der Betreuung von Leistungssportlern seit 1995 erstellt er individuelle Trainings- und Therapiekonzepte für Prävention und Rehabilitation, die von seinem Trainer- und Therapeutenteam an den Standorten Wien und Stockerau sowie kooperierenden Trainingszentren umgesetzt werden. Info: www.mildner.at

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Dr. Alexander Mildner © Felicitas Matern, Castelligasse 8, A-1050 Wien
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