Eine Nacht lang Buffi Bus

Eine Nacht lang Buffi Bus

Die prägendsten Jahre meines Lebens

Man kann so etwas nicht erfinden: Mitte der Achtziger Jahre suchen ein paar Jugendliche nach einer Möglichkeit, sich abseits der Eltern- oder Kaffeehäuser zu treffen. Sie haben die Idee, für 4.000 Schilling einen ausrangierten Schulbus zu kaufen und dürfen ihn tatsächlich – heute unvorstellbar – kostenlos auf dem Gelände einer alten Brauerei abstellen. Nur Insider finden den Weg dorthin; von außen ist das Areal uneinsichtig. Und das Betreten für Erwachsene verboten.

Matratzen, Ofen und Lautsprecher

Knapp vier Jahre lang war dieser alte Mercedes Benz, von uns liebevoll „Buffi Bus“ getauft, unser zweites Zuhause. Wir malten unsere Namen auf die Außenseiten und richteten ihn gemütlich ein. Es gab Tische, Original-Sitzbänke, ein geblümtes Fauteuil, eine Hängematte, zwei Betten, Plakate an den Wänden und eingebaute Lautsprecher, über die wir Musik hören konnten: Dire Straits, Duran Duran, Queen, Ambros oder STS. Die Beatles ließen sie mir nicht durchgehen.

Wir hatten einen Ofen, der im Winter beheizt wurde, viele Aschenbecher und angeblich einen Reinigungsplan, an den ich mich aber nicht mehr erinnern kann. Es ist gut, dass der Buffi Bus nie sprechen gelernt hat und viele Geheimnisse mit ihm verschrottet wurden. Was man verraten darf: wir haben uns dort sehr gut kennen gelernt. Es wurde geraucht, geflirtet, geflucht, gefeiert, geliebt, betrogen, diskutiert, gestritten, geweint und gelacht. Mit dem Fahrrad war ich von daheim in drei Minuten dort. Es waren wahrscheinlich die prägendsten Jahre meines Lebens: eine schöne, aber zugleich harte Schule. Geschenkt wurde dir nichts, auch nicht als Mädchen.

Unser Wiedersehen nach 40 Jahren

Als ein paar von uns nach Wien gingen, um dort zu studieren und zu arbeiten, verloren wir uns allmählich aus den Augen. Es mussten fast 40 Jahre vergehen, ehe wir beschließen: wir wollen uns wieder sehen. Also versuchen wir, die Kontakte aufzutreiben. Erstaunlicherweise sagt jeder und jede sofort zu. Und so sitzt ein bunt gemischtes Dutzend an Holztischen in einem kleinen Gastgarten unweit jener Stelle, an der einst unser Bus stand.

Eine klare Sommernacht lang verschmilzt die Vergangenheit mit der Gegenwart. Wir essen schlechte Toasts, trinken gutes Bier, reißen blöde Witze, erzählen oder schweigen: das Leben hat es nicht immer nur gut gemeint. Umso tröstlicher, in den gereiften Gesichtern so viel Vertrautes und Verbindendes zu erkennen. Weißt du noch? Und war das wirklich so?

Vergilbte Bilder und unsere Zeitung

Es gibt wenig Beweismaterial: ein paar zerknitterte Fotos, eine kleine Super-8-Filmrolle mit verwackelten Aufnahmen ohne Ton sowie zwei Exemplare der „Buffi Bus Zeitung“ aus den Jahren 1985 und 1986, in denen die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit schon damals nicht sehr genau genommen wurden. Also suchen wir nach Splittern, die unser Memoiren-Puzzle vervollständigen sollen; aber ein paar Teile fehlen wohl für immer. Auch ein langer Abend ist zu kurz für so viel Buffi-Bus-Leben.

Irgendwann verabschieden wir uns mit einem ehrlichen „Schön war’s!“ und einem sehr unwahrscheinlichen „Bis bald!“ Ich hätte ja viel lieber, so wie früher, einfach gerufen: „Ciao, Leute, bis morgen im Bus!“ Aber das geht natürlich nicht; ich hab ja gar kein Fahrrad mehr.

Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN