Neue Lieben und alte Witze
So war unser Familientreffen
Samstag, kurz vor 17 Uhr. Wir sind zu spät dran. Adventkranz haben wir auch noch keinen, dafür einen bereits lange vereinbarten Termin: Großes Familientreffen, strategisch fair lokalisiert zwischen Wien und Wieselburg – am Stadtrand von St. Pölten, im Gasthaus Vinzenz Pauli.
Wie ein Motorrad-Fahrer beim Slide
Gute Wahl! Sollten Sie sich einmal in die niederösterreichische Landeshauptstadt verirren, schauen Sie unbedingt in diesem wunderschönen, alten Wirtshaus vorbei – hier stimmt einfach alles (unfassbar gute Küche, Top-Service!).
Es war auch schön, die Tanten, Onkeln, Cousins, Cousinen, Nichten und Neffen wieder zu sehen. Leider konnten nicht alle kommen, weil entweder gerade krank oder bereits verplant. Ein symptomloser Corona-Cousin mit starker Affinität zum Motorsport hat sich kurz via WhatsApp-Call zugeschaltet: „Hätte mich auf euch gefreut wie ein Motorrad-Fahrer beim Slide!“ Sicherheitshalber fragen wir nach: ist das nun etwas Geniales oder etwas, das man besser vermeidet?
Der 17-jährige Neffe hat seine neue, hübsche Freundin mitgebracht. Er hat offensichtlich Glück in der Liebe. Leider nicht ganz so in der Schule. Seiner Mutter kostet der Bub deshalb Nerven: „Letztens kommt er heim mit einem Dreier in Mathe. Da freuen wir uns schon einen Haxn aus!“ Wir meinen: Besser, sich über ein Befriedigend zu freuen als über ein Gut zu weinen.
Er hat die Cousine eingekocht
Es gibt einen weiteren Neuzugang: auch meine Cousine, beruflich in leitender Position bei einem führenden Küchengeräte-Hersteller tätig, führt den neuen Mann an ihrer Seite in die Großfamilie ein. Kennengelernt habe man sich auf einer Internet-Plattform (nein, nicht Tinder!) und man habe zunächst nur viel geredet. Irgendwann hat er sie dann eingekocht: bei Selleriepüree mit weißer Schokolade sei sie schließlich dahingeschmolzen. So viel kann man schon sagen: der Neue hat Geschmack.
Wir schnabulieren uns durch die Speisekarte (Highlight: Geschmortes Bio-Kraut mit Knoblauch-Sabayon, Shi-Take und sanft gegartem Duroc-Schweinebauch), tratschen und sind fröhlich. Hund Axl döst friedlich am Parkettboden; Tante I. verteilt selbst gemachte Olivenöl-Seifen und Onkel K. übernimmt die gesamte Wein-Rechnung.
My English is under all pig
Ich frage Cousin M., ob es schon ein neues Kabarettprogramm gibt und wann man ihn endlich wieder live auf der Bühne sehen kann. Außerdem will ich von ihm wissen, wie er seine Gags findet. Unter anderem, sagt er, aus englischen Witzebüchern. Ich denke da spontan an Wuchteln wie „My English is under all pig“, aber er meint etwas anderes: das, worüber die Briten lachen, sei in Österreich noch nicht so abgedroschen.
Er habe eine ganze Bibliothek an englischen Witzebüchern daheim, sagt er. Möglicherweise sind das Bücher wie „The Funniest Joke Book Ever!“. Das gibt es wirklich, ich habe gegoogelt. Aber die Rezensionen („Meine Enkelkinder lieben dieses Buch – lauter familienfreundliche Witze!“) passen so gar nicht zu dem, was mein Cousin auf der Bühne bietet: das ist nämlich eher nicht so jugendfrei. Ich weiß jetzt jedenfalls, was ich noch dringend brauche: ein gutes, englisches Witzebuch. Und einen Adventkranz.
Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN