Passen Sie gut auf!

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Nach Corona kommt das „Märznkaiwi“

Der Frühling blüht schon in meiner Vase und es geht endlich aufwärts. In letzter Zeit lief es nicht so rund. Falls Sie mich vermisst haben: ich war krank. Das Corona-Virus hat mich am letzten Drücker nochmals erwischt und so war ich in den Semesterferien nicht auf Skiurlaub, sondern zu Hause.

Eher unfreiwillig hat sich dadurch mein „Dry January“ in den Februar hineingezogen – seit 1. Jänner habe ich keinen Tropfen Alkohol mehr zu mir genommen, mal abgesehen von der winzigen Menge Ethanol in den Kaloba®-Tropfen, die mittels Pflanzenkraft meine angeschlagenen Bronchien stärken sollen. Die maximale Einzeldosis (30 Tropfen) entspricht einem Milliliter Wein. Schmeckt aber leider nicht nach Muskateller oder Merlot, sondern nach Hustinettenbär.

Tee, Suppe, Ruhe: ich übe mich in Achtsamkeit und Akzeptanz

Der Beste und meine Tochter schicken Bilder von weißen Pisten vor knallblauem Himmel, von Kaiserschmarren und sonnigen Hüttenbänken. Ich hingegen übe mich in Achtsamkeit: Tee trinken, feuchte Tücher aufhängen, Hühnersuppe löffeln, Brustfleckerl auflegen. Kranksein ist ein Fulltime-Job.

Und eine hervorragende Gelegenheit, um zu üben, das Jetzt zu umarmen. Weil, ehrlich: wenn die Dinge nach Wunsch verlaufen, fällt einem das nicht schwer. Aber wenn die ganze Welt eine traumhafte Winterwoche feiert, während dein Kopf in einer Dampfschüssel hängt, dann ist bewusste Gegenwärtigkeit schon eine Challenge.

Streberin, die ich bin, mache ich Fortschritte. Wenn es einem gelingt, das Denken, Grübeln und Bewerten auszuschalten („Ungerecht!“ „Warum ich?“) ist es schon nicht mehr ganz so schlimm. Dann trinkst du eben Tee. Dann gibst du eben mal Ruhe. Jeder Moment vergeht – der schöne auf der Skipiste genau so wie der, in dem du krank am Sofa liegst. Außerdem riecht es bereits nach Frühling.

Im März in der Erlauf schwimmen

Früher, so erzählt man sich in meiner Familie, seien meine Urgroßtanten in Wieselburg bereits im März in die Erlauf schwimmen gegangen. Ich habe mir oft vorgestellt, wie das wohl ausgesehen haben mag, wenn Tante Resi und Tante Frieda in ihren keuschen Badeanzügen ins kalte Wasser gesprungen sind, inmitten von Märzenbechern und wucherndem Bärlauch und hatte dabei Frauen aus den alten Charlie Chaplin-Filmen vor Augen.

Dennoch, auch das hat mir meine Familie mitgegeben, muss man ob der nachvollziehbaren Euphorie, dass es nun endlich Frühling wird, auch gut aufpassen, dass einen das Märzenkalb (wir sagen „Märznkaiwi“) nicht erwischt. „Den hot‘s Mäzrnkaiwi bissn“, heißt es bei uns im Mostviertel, wenn sich jemand im Enorphin-Rausch der ersten Sonnenstrahlen zu früh der wärmenden Kleidungsschichten entledigt und sich auf Grund der doch noch reschen Temperaturen ordentlich erkältet.

Ich glaube, vor Corona müssen Sie keine Angst mehr haben. Aber hüten Sie sich vor dem Märzenkaiwi: die Viecher sollen auch schon im Februar gesichtet worden sein.

Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN