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Wenn Freunde Impfgegner sind

Unsere Töchter, heute im besten Teenager-Alter, gingen in die gleiche Volksschulklasse – so lernten wir uns kennen. Irgendwie entwickelte sich auch zwischen den Eltern eine Freundschaft, die über die Schulzeit unserer Mädchen hinaus Bestand hatte (und nein, hier sind nicht die Spatzennest-Eltern gemeint!). Manchmal hatten wir mehr Kontakt, dann wieder weniger. Einer der Väter ist mittlerweile mein Gynäkologe, ein anderer mein Yoga-Lehrer.

Corona spaltet die Gruppe

Um die Verbindung zu halten, gründeten wir vor Jahren eine WhatsApp-Gruppe. Wie unterschiedlich wir ticken, sollte die Pandemie zeigen. Plötzlich dominierten Videos, Statistiken und Zeitungsberichte unseren Chat-Verlauf; manchmal gab es auch witzige Cartoons. Fast schien es, als wäre Corona das einzig verbleibende Thema, das uns noch zusammenhielt. Und das, obwohl unsere Ansichten zu Masken, Lockdowns oder Impf-Strategien vielfältiger kaum sein konnten. Die Fronten verhärteten sich zusehends; drei der Väter verließen genervt die Gruppe.

Die Nachrichten wurden rarer. Doch plötzlich kam wieder eine: wie wir wohl über die aktuellen Maßnahmen – 3G am Arbeitsplatz – denken? Oder darüber, dass Ungeimpfte zusehends vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden?

Letztes Treffen im Wienerwald?

Wir entschieden uns, die Situation nicht virtuell eskalieren zu lassen, sondern dafür, unsere Meinungen bei einem Spaziergang im nahen Wienerwald auszudiskutieren. Keiner von uns wusste genau, worauf man sich da einlassen würde: Radikale Impfgegner auf der einen, starke Impf-Befürworter auf der anderen Seite und ein bisschen was dazwischen. Würde es gar unser letztes Treffen sein?

Eine Spazierstunde später saß ein knappes Dutzend Erwachsener rund um einen Holztisch im Freien. Wir tranken Bier, aßen Schnitzel und Curry, lachten viel und argumentierten heftig – über Impf-Booster, nicht zugelassene Medikamente, die Rolle der WHO (Weltgesundheitsorganisation), Antikörper-Titer, Impfdurchbrüche, freie Spitalsbetten, Lockdowns für Ungeimpfte und darüber, wie man am besten durch den Corona-Winter kommt.

Zuhören, nachdenken, nachfragen

Ein paar Mal wurden wir etwas lauter, aber nie respektlos. Als es kalt und finster wurde, debattierten wir in der Wirtsstube weiter. Es menschelte. Weil wir die Personen hinter ihren Standpunkten spürten – mit ihren Ängsten, Wünschen und Hoffnungen. Weil wir zuhörten, nachdachten, nachfragten.

Nein, niemand änderte seine Meinung. Wir vermieden es zu missionieren, ließen andere Denkweisen gelten und verteufelten sie nicht kategorisch. Wir erkannten, dass jenseits zweier Extreme viel Platz war. Dass es oft an wichtigen Informationen und Aufklärung mangelt. Und dass man andere sehr mögen kann, auch wenn sie die eigenen Auffassungen und Überzeugungen nicht teilen, nie teilen werden. Fest steht: Corona wird es nicht schaffen, unsere Freundschaft zu zerstören. Und das soll uns einmal einer nachmachen.


Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN.

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