Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Kennen Sie den „Amsterdam-Effekt“?

Das Teenager-Mädchen kommt gegen vier Uhr morgens von seinem ersten Schulball nach Hause und fliegt drei Stunden später nach Dublin. Ich stelle mir vor, wie eine Klasse kreidebleicher Jugendlicher im Flugzeug gegen Übelkeit und Müdigkeit kämpft. Und ich glaube, ich möchte nicht die betreuende Lehrerin sein.

Wenn alles stimmig und schön ist

In die Irland-Woche der Tochter fällt Christi Himmelfahrt mit anschließendem Fenstertag. Also gönnen sich mein Mann und ich ein paar Tage Stockholm. Es ist Dauerregen angesagt, aber das macht nichts. Wir fühlen uns frei wie die Möwen am Skeppsbron und finden alles nur noch wunderschön – unser Hotelzimmer, das Meer, die klare Luft, die Schären, die Cafés, die Zimtschnecken, die heiter-entspannten Menschen und das Blond der Schwedinnen.

Wir nennen das den „Amsterdam-Effekt“. Vor neun Jahren waren wir – ebenfalls im Frühsommer – in der Hauptstadt der Niederlande und kamen aus euphorischem Staunen nicht mehr heraus. Bis heute kann ich mich detailgetreu an das Bilderbuch-Restaurant erinnern, in das durch ein blumengeschmücktes Fenster das Abendlicht genau auf unseren Tisch strahlte. Wir aßen dort die weltbeste Pasta und tranken den weltbesten Rotwein. Möglicherweise war unsere Einschätzung ein wenig verzerrt durch den Besuch beim „Bush Doctor“ davor, wo uns ein freundlicher Shop-Assistant geraten hatte, den ausgewählten Joint lieber nicht alleine zu rauchen, sondern ihn besser zu teilen. Es war ein guter Rat.

Top Gun mit schwedischen Untertiteln

Der „Amsterdam“-Effekt beschreibt für uns seitdem das Hochgefühl, genau zur richten Zeit am richtigen Ort zu sein. Was auch immer passiert, es passt einfach. Regen? Also Kino! Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass mich sogar ein Tom Cruise in „Top Gun: Maverick“ mit schwedischen Untertiteln köstlich amüsieren würde. Und dabei hatte ich vor dem Kino keine bewusstseinsverschönernden Substanzen konsumiert, sondern nur ein kleines, teures Bier.

Schöner Nebeneffekt des „Amsterdam-Effekts“: das Sorgen-Karussell ist eine Zeit lang gestoppt. Und so belasten mich auch keine Gedanken ob der doch sehr spärlich eintrudelnden Nachrichten aus Irland. Immerhin kommen ab und zu Bilder via Whatsapp mit viel Meer, viel Grün, viel Himmel und viel wehendem Haar. Das reicht mir, um zu wissen: auch das Teenager-Mädchen hat’s gerade richtig fein.

Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN