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"Du bist die Antwort auf deine Fragen"

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"Du bist die Antwort auf deine Fragen"
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Als Spiritual Feminist nähert sich Autorin Kaja Andrea Otto dem Erbe der Vorfahren von einer ganz neuen, weiblichen Perspektive. Im Interview gibt sie spannende Antworten auf Fragen zur Ahnenarbeit.

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k.A © Grit Siwonia

Die Frage, woher wir stammen und was uns unsere Vorfahren hinterlassen haben, beschäftigt uns im Leben immer wieder. Als Spiritual Feminist nähert sich Kaja Andrea Otto diesem Thema von einer ganz neuen, weiblichen Perspektive.
Das individuelle und kollektive Erleben von Frauen ist von völlig anderen Erfahrungen geprägt als das von Männern. Diese Aspekte berücksichtigt die Autorin in ihrer Ahnenarbeit. Sie beschreibt, wie traumatisierende Erlebnisse unserer Vorfahren uns noch nach mehreren Generationen heute schwer belasten können.
In ihrem Buch "Du bist die Antwort auf deine Fragen" zeigt sie, wie Ahnenheilung mit Hilfe von Zeremonien möglich ist, um eine klare Vision für eine freie und unbeschwerte Zukunft zu entwickeln. Im Interview ein Einblick dazu:

Lust aufs LEBEN: Ihre Mutter hatte einen entscheidenden Einfluss darauf, dass Sie die Bedeutsamkeit der eigenen Ahnen erfahren hast. Was haben Sie von ihr gelernt und wie hat ihre Geschichte Sie beeinflusst?


Kaja Otto: Als ich vier Jahre alt war, wurde bei meiner Mutter Krebs diagnostiziert und der schulmedizinische Arzt sagte ihr, dass es nicht unbedingt gut ausgehen würde. Für meine Mutter war dies damals ein Weckruf, der ihren spirituellen Werdegang initiierte. Sie hat sich aktiv mit ihrer Familiengeschichte beschäftigt – die ja auch meine ist – was mich schon früh auf die Spur intergenerationaler Muster gebracht hat. Wo erkannte ich mich in ihr wieder? Welche Traumata meiner Urgroßmutter spürte ich auch in mir?
Meiner Mutter hat mich quasi in die unmittelbare Ahnenarbeit eingeführt und damit den Grundstein für das gelegt, was ich heute mache – die Arbeit über viele Generationen hinweg.
Ich habe von meiner Mutter gelernt, dass keine Geschichte zu dunkel ist, um aufgedeckt zu werden und dass nur ein nicht angesprochenes Trauma uns beherrschen kann. Durch ihren Weg habe ich erkannt, dass es nichts Schlimmes ist, traumatisiert zu sein und dass unsere Erlebnisse uns nicht definieren müssen. Ein magischer Satz war: Jedes System ist so krank, wie die Summe seiner Geheimnisse. Diesen Satz habe ich verinnerlicht und mich aufgemacht, all die Geheimnisse in mir zu lüften.

Lust aufs LEBEN: In Ihrem Buch sprechen Sie auch über die Epigenetik. Warum sie für Sie und Ihre Arbeit mit den Ahnen wichtig?

Kaja Otto: Die Epigenetik ist der Forschungszweig, der das, was Schamanen schon seit Urzeiten wissen, bestätigt hat. Sie beschäftigt sich quasi mit dem Gedächtnis unserer Gene. Denn: Unsere DNA ist nicht unveränderlich, sondern permanent werden kleine Moleküle an unser Erbgut angehängt oder von ihm entfernt oder es werden Erbinformationen verdeckt. Immer wieder entsteht eine neue Informationsebene auf dem Genom, das Epigenom. Epi bedeutet im Griechischen »auf«, es geht also um das, was auf unseren Genen passiert. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass es Ereignisse gibt, die uns als Kinder so tief prägen können, dass sie Auswirkungen auf die folgenden Generationen haben. Denn sie verändern nicht das Gen selbst, wohl aber die darauf liegenden Informationen. Ich nenne das gerne die emotionale DNA. In unsere emotionale DNA können sich Traumata einschreiben, die durch Missbrauch, Schock, Unfälle oder Ähnliches entstanden sind. Gleichzeitig können es aber auch positive Ereignisse sein, die sich so „tief eingebrannt“ haben, dass ihre Existenz die Handlungen der nachfolgenden Generationen beeinflusst.
Denn: Ein Baby ist nicht absolut isoliert, während es sich im Bauch der Mutter entwickelt. Jeder Umweltreiz, der auf die Mutter wirkt, jedes Erlebnis, das sie emotional intensiv berührt, wirkt auch auf das Baby. Und da sich Keimzellen schon sehr früh entwickeln, trifft der Umweltreiz auch sie – die nachfolgende zweite Generation kann somit direkt betroffen sein und diesen Einfluss ihrerseits an die kommende Generation weitergeben. So kann es sein, dass sich Enkelkinder von Kriegsopfern immer noch heftig erschrecken, wenn sie so etwas wie einen Fliegeralarm hören, obwohl sie selbst nie im Bombenhagel in den Bunker flüchten mussten. Und die Epigenetik gibt diesem uralten Wissen einen offiziellen Rahmen.

Lust aufs LEBEN: Sind für Frauen die weiblichen Ahnen von größerer Bedeutung als die männlichen und ist es für Männer umgekehrt? Oder haben auch die männlichen Ahnen für Frauen einen wichtigen Einfluss?

Kaja Otto: Der Einfluss unserer Ahnen auf uns ist durchaus individuell – jede von uns hat einige Ahnen, die präsenter sind, unabhängig vom Geschlecht. Jedoch kann ich feststellen, dass die Lebenswelten von Frauen – damals wie heute – sich deutlich von denen der Männer unterscheiden. So waren Frauen damals zu verheiratende Wirtschaftsgüter, sie waren wirtschaftlich abhängig, ihre Aufgabe war es zu gebären – klappte dies nicht waren sie maximal noch als Arbeitskraft ertragbar, aber eben nicht gesellschaftlich tragbar. Viele der Erlebnisse unserer Mütter und Großmütter stecken uns im wahrsten Sinne des Wortes noch in dem Körper.

So gibt es immer wieder Frauen, die zu mir kommen, weil sie nach bestimmten Meilensteinen im Leben bemerken, wie sich Handlungsmuster entwickeln, die sie nicht mit ihrer Identität in Verbindung bringen. Sie passen nicht zu ihrem modernen Weltbild oder ihren Wünschen. Schauen wir dann in der gemeinsamen Arbeit nach der Ursache, gibt es oft eine oder mehrere Ahninnen, deren Überzeugungen oder auch Traumata durch ein Schlüsselerlebnis aktiviert wurden. Und da unterscheidet sich dann eben der Einfluss auf kollektiver Ebene. Frauen spüren dort kollektive Erfahrungen von Frauen. Männer tendenziell kollektive Erfahrungen von Männern – meiner Meinung nach ein Grund, warum so viele kleine Jungen Krieg spielen, ohne es je erlebt oder von ihren Vätern gezeigt bekommen zu haben.

Lust aufs LEBEN: In Ihrem Buch erläutern Sie Ihre Methode, wie wir mit unseren Ahnen in Kontakt treten können. Was sind hier wichtige Dinge, mit denen man beginnen kann, auch wenn man noch nicht so tief in die Thematik eingestiegen ist?

Kaja Otto: Das Schöne an der Ahnenarbeit ist, dass jede von uns sie machen kann, denn wir alle haben Ahnen. Ein guter Einstieg ist, zunächst abzuklären, welche Geschichten es gibt, welche Verwandten man kennt, welche Gerichte zu bestimmten Feiertagen gegessen werden usw. Ich stimme mich quasi auf die Energie der Linie ein. Einfach mal hinein spüren, wie es sich anfühlt, an meine Ahnen zu denken, auch wenn ich sie nicht kenne. In meiner Ahnenarbeit kann jeder mitmachen, auch wenn wir adoptiert sind. Denn wir arbeiten mit der emotionalen und spirituellen Energie, die in uns präsent ist. Ein zweiter Schritt wäre es, einen Ahnenaltar zu bauen – also einen Ort, an dem sich die Ahnenenergie sichtbar sammeln kann. Denn nichts Anderes ist ein Altar – er erinnert uns an das, was wir glauben.

Er lädt uns ein, immer wieder inne zu halten. Er fordert uns auf, mit dem Nicht-Sichtbaren in Kommunikation zu gehen. So ein Ahnenalter ist in vielen Kulturen noch gebräuchlich. Wir können ihn erstellen, indem wir einen Platz finden, an dem wir Dinge platzieren und arrangieren, die wir mit unseren Ahnen und unseren Wurzeln verbinden – wichtig dabei ist, dass wir dabei in Liebe und Hingabe sind – denn das ist die grundlegende Energie, mit der der Altar dann wirkt. Auf einen Altar können Fotos von friedvollen Ahnen, Gegenstände, die uns an unsere Kultur oder Traditionen erinnern, Kerzen und Rauchwerk gelegt werden. Alles sollte mit Intention platziert werden.

Zu Anfang kann ich beispielsweise jeden Morgen den Tag mit meinen Ahnen beginnen, eine Kerze entzünden und einfach lauschen und spüren. Die Beziehung zu den Ahnen ist wie jede andere auch – sie braucht zu Beginn etwas Zeit, Verbindlichkeit und Offenheit. Und: unsere Ahnen sind schon immer da gewesen – es sind wir, die sich wieder öffnen dürfen und damit auch die ersten Schritte gehen. Unsere Ahnen warten meist nur darauf.

Lust aufs LEBEN: Durch die Arbeit mit den eigenen Ahnen, eröffnen sich uns Möglichkeiten, im Hier und Jetzt etwas zu verändern und „die eigene Linie zu heilen und zu transformieren“. Können Sie das etwas näher erläutern?

Kaja Otto: Wenn ich die „schweren“ und „einengenden“ Themen in meine Linie löse und transformiere, dann entstehen für mich im Hier und Jetzt neue Handlungsoptionen, neue Gedankenmuster und neue Perspektiven. Je mehr Frieden ich in die Linie bringe, desto mehr Frieden und vor allem Freiheit erfahre ich in meinem Leben. Verändern wir die Informationen, verändert sich die Realität. Wir sind somit nicht mehr unbewusst an alte Rollenmuster oder Verhaltensweisen gebunden. Ich handele also nicht mehr nach den unbewussten Mustern meiner Urgroßmutter, sondern finde meinen ganz eigenen Weg. So können wir beginnen, unsere ureigenen Bedürfnisse und Wünsche deutlicher wahrzunehmen und damit unseren eigenen Weg gehen.

Lust aufs LEBEN: Sie schreiben darüber, wie die von unseren Ahnen erlebten Traumata uns heute noch beeinflussen. Welche Traumata wirken sich beispielsweise noch nach Generationen auf die Nachfahren aus?

Kaja Otto: Historische Traumata haben ihren Ursprung in der Vergangenheit und beeinflussen mehrere Generationen. Sie sind so stark, dass sie auch noch für die Kindeskinder spürbar sind, obwohl diese selbst der traumatischen Erfahrung nicht ausgesetzt waren. Das kann durch Kriege, Völkermord oder gezielte Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen passieren. Ein historisches Trauma ist zum Beispiel die Sklaverei. Die Nachfahren der Menschen, die vom afrikanischen Kontinent nach Amerika verschifft wurden, spüren noch heute auf verschiedenen Ebenen die Folgen, wobei sie in diesem Fall durch aktuelle Rassismus Erfahrungen eine immer neue Retraumatisierung erfahren, die das alte Muster stets erneut antriggert.
Ein anderes Beispiel ist die Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg, wobei die Diskriminierung und Bedrohung auch noch aktuell spürbar ist. Zu kollektiven Traumata gehören auch die Frauen, die den Massenvergewaltigungen nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesetzt waren und danach zu Massenabtreibungen genötigt wurden. Die Hungersnot in Irland ab 1845 hinterließ ebenfalls Spuren: Die Babys der Mütter, die in dieser Hungersnot schwanger waren, hatten eine erhöhte Krankheitsrate und Studien zeigen, dass sie viel häufiger in psychiatrische Krankenhäuser aufgenommen wurden. So hatte Irland Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts so viele Betten in psychiatrischen Einrichtungen im Verhältnis pro Kopf gerechnet wie kein anderes Land der Welt. Historische Traumata haben also ihren Ursprung in der Vergangenheit, die spürbaren Folgen jedoch spannen sich über Generationen bis in die Gegenwart. Aber, und dass ist wichtig – wir sind ihnen eben nicht hilflos ausgeliefert. Sondern wir können ihre transgenerationalen Folgen durch gezielte Ahnenarbeit mildern und auflösen.

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