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Besser atmen, besser leben

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Besser atmen, besser leben
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Der Atem-Experte Ralph Skuban erklärt im Interview, wie wir mit bewusster Atmung unsere Lebensenergie erhöhen.

Lust aufs LEBEN: Was machen die meisten Menschen bei der Atmung falsch?

Ralph Skuban: Den meisten Menschen ist das Atemgeschehen völlig unbewusst. Man hält ihn für etwas, das schon automatisch immer richtig funktionieren würde. Doch die Tatsache, dass die Atmung sich unbewusst vollziehen kann, bedeutet nicht, dass er immer auch optimal vollzieht. Der Atem spiegelt unser Leben. Wenn wir zum Beispiel viel Stress erfahren, Zeitdruck haben oder ungesunde Lebensgewohnheiten pflegen, verändert sich unsere Atmung und es bilden sich unnatürliche Atemmuster heraus. Das kann durchaus schnell gehen: Ein paar Wochen Stress verändern bereits nachhaltig unsere Atmung.
Das häufigste unnatürliche - oder besser: dysfunktionale - Atemmuster ist die so genannte Überatmung. Man atmet dabei gewohnheitsmäßig mehr, als es physiologisch sinnvoll wäre.

Lust aufs LEBEN: Wie wirkt sich die Überatmung aus?

Ralph Skuban: Sie verändert die Biochemie unseres Körpers, weil dabei chronisch zu viel Kohlendioxid abgeatmet wird. Eine bestimmte Menge davon muss aber stets in unserem Blut sein, damit sich die Atmung richtig vollziehen kann. Auch wenn es auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen mag: Ein Mangel an Kohlendioxid im Blut führt immer auch zu einem Mangel an Sauerstoff auf Zellebene. Ohne Kohlendioxid würden wir sogar einfach ganz mit dem Atmen aufhören und ersticken, ohne es überhaupt zu bemerken, es sorgt nämlich für den Atemantrieb. Und es spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation des Säure-Basen-Haushalts. Mit anderen Worten: Kohlendioxid ist für unser Leben ebenso wichtig wie Sauerstoff. Auf die Balance dieser beider Atemgase kommt es entscheidend an.

Lust aufs LEBEN: Welche Rolle spielt die Atmung für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit?
Ralph Skuban: Dysfunktionale Atemmuster führen zu zahlreichen Problemen, wie Asthma, Kurzatmigkeit, innerer Unruhe, Schlafproblemen, Schnarchen, Schlafapnoe, Panikattacken, Herz-Kreislauf-Problemen, Verdauungsschwierigkeiten, Leistungsschwäche, Erxchöpfung und sogar sexuellen Dysfunktion - um nur einige zu nennen. Der Atem ist ein systemisches Geschehen, das heißt: Keine Zelle bleibt davon unberührt. Läuft etwas mit der Atmung nicht gut, hat das potenziell Auswirkungen auf jeden Bereich unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens.
Es gibt kein anderes physiologisches Geschehen, das eine stärkere Wirkung auf unser Befinden haben könnte als der Atemprozess. Wir müssen uns nur vor Augen halten, wie lange wir es aushalten können, ohne zu atmen ... Atmen ist ein Synonym für das Leben selbst: Es beginnt damit mit unserem ersten Schrei nach der Geburt. Und wenn wir einmal einen natürlichen Tod sterben, endet es mit einer letzten Ausatmung. Atem ist Leben.

Lust aufs LEBEN: Wird die Bedeutung der Atmung oft unterschätzt und das gesunde Atmen vernachlässigt?


Ralph Skuban: So gut wie immer. Viele Menschen tun zwar viel für sich, um gesund zu bleiben: Sie treiben Sport oder machen Yoga und ernähren sich gesund. Doch an den Atem denken nur die wenigsten. Sogar Sportler atmen häufig suboptimal. Aus diesem Grunde übrigens machen auch viele Leistungssportler Erfahrungen mit bewegungsinduziertem Asthma: Etwa 50 Prozent von ihnen kennen dieses Problem aus eigener Erfahrung. Doch sie wissen meist nicht, dass die Ursache eine dysfunktionale Atmung ist.
Dysfunktionale Atmung betrifft aber potenziell alle Menschen jeden Alters und jeder Berufsgruppe: In meinen Atemtrainings arbeite ich mit Gesunden und Kranken, mit Psycho- und Physiotherapeuten, mit Sportlern, Ärzten, Managern, Yogis, Lehrern und sogar Opernsängern ... Es gibt eigentlich keinen Menschen, der nicht davon profitieren würde, in eine gesunde Atmung im Alltag zu finden.

Lust aufs LEBEN: Woran erkennen wir einen natürlichen Atem im Gegensatz zum unnatürlichen?


Ralph Skuban: Es gibt ein paar Merkmale, die eine gesunde und natürliche Atmung im Alltag kennzeichnen: Der Atem geht durch durch die Nase und nur im Ausnahmefall durch den Mund. Die Atmung ist getragen vom Zwerchfell, die Brustatmung ist, wie die Mundatmung, ebenfalls nur eine Ausnahmesituation. Der Atem sollte rhythmisch-fließend sein und tendenziell langsam: 8 bis maximal 12 Atemzüge in der Minute im Ruhezustand genügen vollkommen. Dabei atmet man im Ruhezustand ca. 5 Liter Luft in der Minute ein und aus. Mehr als das ist zu viel, also Überatmung. Wer deutlich schneller und mehr atmet, kommt in ein chronisches CO2-Minus (man nennt das eine Hypokapnie) und stresst sein Nervensystem. Eine gute Ruheatmung macht zudem keinerlei Geräusche. Hört man jemanden deutlich atmen, darf man davon ausgehen, dass der Atem dysfunktional ist. Schließlich sollte die Ausatmung ein rein passiver Vorgang sein: Das Zwerchfell entspannt, der Atem fließt sanft heraus.
Viele Menschen jedoch haben Merkmale, die von den beschriebenen deutlich abweichen: Sie atmen zum Beispiel häufig durch den Mund und in die Brust. Ihr Atem kann beschleunigt sein und unregelmäßig, oft unterbrochen von unbewussten Atempausen, die dann durch häufiges Seufzen oder Gähnen kompensiert werden. Oft hört man laute Atemgeräusche. Und eine entspannte Ausatmung ist sehr vielen Menschen nicht mehr möglich, weil sie eine chronische Spannung im Zwerchfell entwickelt haben.

Lust aufs LEBEN: Wie können wir den Atem bewusst nützen?

Ralph Skuban: Das können wir auf vielerlei Weise tun. Weil der Atemprozess so eng mit unserem Nervensystem vernetzt ist, können wir mit Hilfe einer bewussten Atmung gezielt unser Befinden beeinflussen. So unterstützt zum Beispiel langsames Atmen (vor allem wenn es die Ausatmung betont) die Aktivierung des Parasympathikus, jene Struktur des Nervensystems, die für Erholung, Entspannung und Heilung zuständig ist. Oder wir können entlang unserer so genannten Resonanzfrequenz atmen, das ist ein Atemrhythmus, der unser Nervensystem optimal balanciert.

Die Resonanzfrequenz kann man mit ein klein wenig technischer Hilfe selbst bestimmen. Wie das geht, erkläre ich in meinem neuen Buch "ATMEN". Man kann auch gezielt und dosiert Atempausen setzen, um in ruhige, meditative Zustände zu finden und unsere CO2-Toleranz zu trainieren. Das bringt mehr Sauerstoff in unsere Zellen und ist heilsam auf vielen Ebenen. Noch direkter trainiert man die CO2-Toleranz mit der Buteyko-Methode. Mit ihr können zum Beispiel Asthmatiker innerhalb nur weniger Wochen nachhaltig frei von Symptomen und Medikamenten werden.

Das sind nur einige wenige Beispiele. Was am Anfang jeder guten Atemarbeit stehen muss, ist freilich dies: Atembewusstheit. Dass wir uns unserer Atmung bewusst werden, uns mir ihr spürend verbinden und sie verstehen, ist die Grundlage für mehr Gesundheit, Wohlbefinden. Leistungsfähigkeit und Präsenz in allen Lebenssituationen. Und bei alledem möchte ich auch noch dieses sagen: Atemarbeit macht große Freude!

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