So wird der innere Kritiker ruhig
Haben Sie schon Bekanntschaft mit Ihrem Inneren Kritiker gemacht? Die oft unbemerkte innere Stimme nagt schleichend am Selbstwertgefühl. So setzen Sie ihr Grenzen.
Der innere Kritiker ist jene innere Stimme, die negative Gedanken in Form von inneren Monologen produziert. "Der innere Kritiker entsteht in der Kindheit", sagt die Wiener Psychotherapeutin und Lebens- und Sozialberaterin Sonja Kostal, "er stammt aus Zeiten, in denen wir vor allem von den Erwachsenen, aber auch Gleichaltrigen immer wieder auf unsere Fehler und Schwächen hingewiesen werden, vielleicht sogar bestraft werden, wenn wir uns nicht so verhalten, wie es von uns verlangt wird. Um ihr Selbstwertgefühl zu stärken, ist es unerlässlich, den inneren Kritiker Grenzen zu setzten.
Sätze wie "Das darfst du nicht", "Das sollst du nicht", "Das tut man nicht", "Schämst du dich nicht" oder "Das kannst du nicht" bleiben häufig mit ihrer Botschaft bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen. Mit der Zeit lernen wir uns mit den Augen der Erwachsenen zu sehen und irgendwann entstand der Innere Kritiker der zu uns spricht wie einst unsere Eltern, die uns im Grunde genommen beschützen und zu einem wertvollen Menschen erziehen wollten.
„Ich bin nicht ok, so wie ich bin“ – ein Glaubenssatz der nicht nur unsere Lebensqualität mindert, sondern auch zu Lebensfalle werden kann. Die meisten seelischen Probleme haben ihre Ursache in einem mangelnden Selbstwertgefühl.
Ungesunde Selbstkritik schwächt das Selbstwertgefühl
Diese ständigen negativen Selbstgespräche zerstören unsere Selbstachtung und lassen uns klein, fehlerhaft und hilflos fühlen, und das ist Gift für das Selbstwertgefühl!
"In der Kindheit waren wir von unseren Bezugspersonen abhängig", sagt Kostal, " Wir haben uns innerlich selbst ermahnt um uns 'richtig' zu verhalten, da hatte der innere Kritiker die Aufgabe uns vor Tadel, Bestrafung und auch Gefahren zu schützen."
Heute können wir selbst entscheiden. Wir sind autonom und sind weitgehend nicht von anderen Menschen abhängig. "Gedanken und Glaubenssätze über die eigene Person können trotzdem stark verinnerlicht sein", sagt Sonja Kostal, "Oft merken wir nicht einmal, wie wir über uns selbst denken und reden."
Das innere Team managen
Ja, wie werden wir diesen Kerl wieder los? Können wir ihn überhaupt loswerden. Nein, denn er ist ja ein Teil von uns, ein Persönlichkeitsanteil. Bedeutet das, dass wir ihn unser ganzes Leben ertragen müssen?
In gewisser Weise ja. „Was wir tun können, ist Beziehungsarbeit leisten. Mit ihm zu kooperieren“ sagt Kostal. Denn er hat ja auch sehr wohl seine positiven Seiten, wenn er sich nicht so aufspielt. Er meint es nicht wirklich böse, will uns ja helfen, uns vor Enttäuschungen, Schmerzen und Verletzungen bewahren.
Ein bisschen konstruktive Kritik, Denkanstöße und Reflexion schaden uns nicht – es kann sogar sehr hilfreich sein. "Der Kritiker muss nur verstehen, dass er nicht der Boss ist, nicht Teamleiter", sagt Kostal, "Denn es gibt nicht nur den Kritiker, es gibt ein Team, dass wir leiten sollten. Geben wir dem Kritiker, den Angsthasen, dem Drückeberger, dem Streber soviel Raum, wie wir für gut erachten.
Wie tun wir das? Wie würden wir im Außen tun, wenn unser Partner, Freundin oder unsere Kinder die Leitung übernehmen und über unsere Grenzen gehen?
Würden wir das einfach zulassen? Was wir im Außen erfolgreich anwenden, können wir auch im Innen tun.
Mehr vom Guten, bitte!

Psychotherapeutin Sonja Kostal
"Verlagern Sie Ihre Aufmerksamkeit auf alles, was Sie selbst und andere gut an Ihnen finden und schreiben Sie es täglich in ein Notizbuch." Wenn Sie zum Beispiel eine neue Frisur tragen und die Kollegin eine nette Bemerkung darüber macht, ist das ebenso aufschreibenswert wie wenn Sie sich selbst ein feines Essen gekocht haben. Nach dem Motto "Life goes, where energy flows", können Sie so nach und nach den Kritiker leiser und den lobenden Anteil in sich lauter werden lassen.
"Oft glauben wir auch, wenn wir über unser Selbstwertgefühl nachdenken, dass dieses auch in allen Lebensbereichen schlecht ausgebildet ist", sagt Kostal weiter, "Doch in den meisten Fällen stimmt das nicht und es handelt sich um eine unüberlegte Pauschalannahme."
Nun geht es darum, mit dem inneren Detektiv zu enttarnen: Wann genau wird mein innerer Kritiker aktiv? Gibt es bestimmte Personen oder Situationen, die ihn mittels Autopilot auf den Plan rufen? Wir können nun die wahren Motive und mögliche Schlüssel-Ereignisse aus unserer Biografie erkennen und anschließend Situationen neu oder einfach einmal gar nicht bewerten, sondern sie stattdessen in Liebe, Verständnis und Mitgefühl zu erleben. Denn zu einem starken Selbstwertgefühl gehört auch die Selbstfürsorge und das Selbstmitgefühl: Und das bedeutet, uns selbst bedingungslos anzunehmen und zu lieben – in allem was wir sind.