Kann man besseren Sex lernen?

Kann man besseren Sex lernen?

Sie sind immer gefragt: Sex-Kolumnen, -Bücher und -Ratgeber mit den besten Tipps für mehr Spaß im Bett. Doch was nützen diese wirklich? Sexualtherapeutin Nicole Kienzl klärt auf: Über den Reiz von Sex-Ratgebern, warum Männer und Frauen ständig Leistungsdruck ausgesetzt sind und was guten Sex ausmacht.

Nicole Kienzl ist Sexual-, Paar- und Psychotherapeutin.

Guter Sex – was bringen Sex-Ratgeber und Co.?
Nicole Kienzl: Was guten Sex ausmacht, ist sehr subjektiv. Jeder versteht etwas anderes darunter. Deshalb sollte jeder für sich selbst entscheiden und herausfinden, was eine schöne Sexualität ist. Dabei können Bücher über Sexualität die sexuelle Kompetenz erweitern. Man kann sich Anregungen holen und so auch besser verstehen, was einen erotisch anturnt. Vielleicht entdeckt man beim Lesen ja auch erotische Vorlieben, die einen selbst überraschen.


Es wäre schön, wenn Jugendliche und Erwachsene möglichst viele sexuelle Erfahrungen im realen Leben machen und diverse Ratgeber vielmehr als Anregung oder auch als Bestätigung hinzuziehen.

Worin liegt der Reiz von Sex-Ratgebern?
Kienzl: In unserer modernen, leistungsorientierten Gesellschaft geht es häufig darum, Dinge zu optimieren. So auch die Sexualität und Partnerschaft. Leider führen solche Verbesserungsvorschläge aber häufig zu Enttäuschungen und Frustration. Man sollte sich lieber darauf konzentrieren, Verhaltensweisen zu unterlassen, die in Beziehungen nicht gut funktionieren.

Haben Männer und Frauen unterschiedliche Erwartungen an Sex-Ratgeber?
Kienzl:
Erotik und Sexualität gilt wohl eher das „männliche Kompetenzgebiet“ in einer Partnerschaft. Frauen sind öfters an praktischen Tipps, die die zwischenmenschliche Verbesserung betreffen, interessiert. Männer lesen derartige Ratgeber, um bessere Liebhaber zu werden und der Frau vermeintlich mehr Lust zu verschaffen. Sex nach Anleitung wirkt aber oft sehr verkrampft. Außerdem löst dieses „Verbessern-Wollen“ bei Frauen dann eher mehr Druck als Lust aus.


Woher kommt das?
Kienzl:
Frauen haben häufig wenig Erfahrung mit ihrem eigenen Körper. Dies ist aber eine wichtige Voraussetzung, genussvollen und entspannten Sex erleben zu können.


Frauen sollten nicht die Verantwortung des eigenen Körpers an den Partner abschieben. So nach dem Motto: „Er wird schon wissen was er tut"...

Für Frauen…?
Kienzl:
…sollte ein guter Sexual-Ratgeber Strategien und Tipps enthalten, die eigenen Phantasien zulassen und als „ok“ einstufen. Erforschen, Verantwortung übernehmen und mit dem Partner kommunizieren.
Für Männer…?
Kienzl:…
finde ich es wichtig, den Leistungsdruck abzubauen: Nicht immer bestimmten ästhetischen Normen entsprechen, keine ständige sexuelle Leistungsbereitschaft haben oder „überpotent“ sein zu müssen.


Oftmals empfehle ich Paaren, absichtlich schlechten Sex zu haben. Diese Intervention ist oft hilfreicher, als diese ständige Optimierung der Sexualität!


Was macht einen guten Sex-Ratgeber aus?
Kienzl:
Die Enttabuisierung von Sexualität ist ein wichtiger Punkt in unserer modernen – leider nur scheinbar aufgeklärten - Gesellschaft. Sex-Ratgeber oder Internet-Blogs können dazu beitragen, indem sie sexuelle Fantasien als „normal“ darstellen. In meiner Fantasie kann ich Wünsche und Bedürfnisse ausleben, die ich vielleicht in der Realität niemals umsetzen möchte. Wichtig für ein erfülltes Sexualleben ist selbstbestimmte Sexualität: Dabei sollte man das eigene Begehren wahrnehmen, es sich zugestehen und Verantwortung dafür übernehmen. Der entscheidende Schritt ist dann, es auch meine/n Partner/in wissen zu lassen.

Ratgeber oder eigene Erfahrung – wozu raten Sie?
Kienzl: Ich empfehle, sich umzusehen. Nicht alles was man im Netz oder in Büchern findet, ist auch wirklich toll. Aber Frauen können durch Magazine oder Bücher eine große Vielfalt an erotischen Anregungen finden. Vielleicht kommen sie auf Gedanken, die sie vorher nicht hatten und können sich dadurch sexuell besser verstehen. Ich rate dazu, Sex-Ratgeber nicht als einen Appell zu verstehen.


Sex-Ratgeber sollten eine spannende Möglichkeit sein, das gemeinsame sexuelle Universum zu erweitern.


Von Ratgebern, die nur reine Tipps oder konkrete Verbesserungsvorschläge enthalten, halte ich wenig. Diese erhöhen eher den Leistungsdruck. Von Titeln wie: „Die 50 besten Sexstellungen“ oder „50 Tipps, wie Sie ihr Sexualleben verbessern können“ ist daher abzuraten (diese erfüllen nur klassische Ratgeberklischees).

Think Love. Das indiskrete Fragebuch - Ulrich Clement

Nicole Kienzls Tipp:
Dieses Buch enthält 200 Fragen, die sich um das eigene erotische Potenzial drehen - und auch das des Partners berücksichtigen. Für Paare mit dem Motto: „Das will ich nicht so genau wissen“, ist das Buch eher nicht geeignet.
Think Love. Das indiskrete Fragebuch von Ulrich Clement, Verlag Rogner und Bernhard. Um 18,50€.

Die Psychologie sexueller Leidenschaften - David Schnarch

Nicole Kienzls Tipp:
Das Buch schlägt Möglichkeiten vor, einen guten Kontakt zum Partner zu finden und sich dabei trotzdem treu zu bleiben. Hebt den unauflöslichen Konflikt in Paarbeziehungen zwischen Nähe und Distanz hervor.
Die Psychologie sexueller Leidenschaften von David Schnarch, Verlag Klett-Cotta. Um 29,95€.