Dankbarkeit rockt
Lust aufs LEBEN-Chefredakteurin Kristin Pelzl-Scheruga
Chefredakteurin Kristin Pelzl-Scheruga ist für vieles dankbar. Aber nie, wenn sie muss.
Sei dankbar! Wenn ich das höre, krieg ich Zustände. Was nämlich garantiert nicht funktioniert: für etwas dankbar sein MÜSSEN. Entweder man fühlt Dankbarkeit freiwillig – oder es bleibt beim Lippenbekenntnis. Aber heutzutage MUSS man dankbar sein, sonst ist man fast schon tot. Immerhin bestätigen zahlreiche Untersuchungen: Menschen, die oft und gerne "Danke" sagen, sind glücklicher, leiden seltener unter Bluthochdruck, Schlafstörungen, Depressionen oder Schmerzen und pflegen bessere Beziehungen. Dankbare Menschen erleben zudem weniger Neid, Ärger oder Ressentiments. Es sollte Dankbarkeits-Pillen auf Krankenschein und Infusionen für Härtefälle geben.
Aber was machen wir bis dahin? Vorbeugend 100-mal „Danke“ sagen pro Tag? Oder genügt es auch 50-mal? Danke, mein Zahnarzt, dass du die Schmerzen weggemacht hast. Danke wundervolle Sonne, dass du jeden Morgen aufgehst. Danke, liebe Beatles, dass ihr „Revolver“ aufgenommen habt. Danke mein Auto, dass du mich unfallfrei durchs Leben navigierst. Danke Kind, dass du dein Zimmer sauber gemacht hast. Bitte räum’ noch deine Schuhe weg (gibt das jetzt Minuspunkte?). Danke Mama für die Weihnachtskekse.
Es gibt tausende Gründe, wofür man dankbar sein kann. Aber warum soll uns das froh machen? Eigentlich ist es ganz einfach: Weil im Moment der Dankbarkeit die Selbstzentrierung in den Hintergrund tritt. Es geht nicht mehr um mich, sondern um dich. „You made me forget myself“, sang Lou Reed 1972, als er sich für einen perfekten Tag bedankte. Danke für den großartigen Song, übrigens.