Bitte bewusst lesen!

Nervt Sie die Achtsamkeits-Welle?

Es gibt ein neues Dogma: man muss, will man überleben oder zumindest halbwegs gut leben, alles ganz bewusst machen: Bewusst essen. Bewusst lesen (...und, tun Sie’s?). Bewusst schreiben (versuche ich gerade). Bewusst atmen (soll auch unbewusst klappen, sonst würden wir morgens nicht mehr aufwachen, aber das nur nebenbei).

Ein Dogma, das nervt? Zugegeben: der Begriff „Achtsamkeit“ wird in jüngster Zeit ziemlich überstrapaziert. Und: es ist vermutlich nicht cool, achtsam zu sein. Denn die wahren Helden in einer rastlosen Gesellschaft sind immer noch die Multitasking-Profis, die scheinbar alles in der Sekunde schaffen. Trotzdem wage ich zu behaupten: glücklich sind die meisten von ihnen nicht.

Wirkliches Glück – und da sind sich Philosophen wie Glücksforscher einig – erleben wir nur im Jetzt. Es ist die einzige Zeit, die wir tatsächlich zur Verfügung haben. Alles andere ist eine Illusion. Achtsam zu leben bedeutet daher nichts anderes als das Jetzt zu nutzen, jede Sekunde auf’s Neue. Mainstream-Begriff hin oder her: wir müssen weder über Vergangenes grübeln, noch uns Sorgen über die Zukunft zu machen. Es genügt, hier zu sein. Eine unglaublich beruhigende Erkenntnis – und ich beneide wirklich jeden, der sie umzusetzen weiß.

Inspirationen zu mehr Achtsamkeit finden Sie in der aktuellen Coverstory von „Lust aufs LEBEN“ (April 2018).

Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von „Lust aufs LEBEN“.