Wie wir den Wandel meistern
Die Psychologin, Psychotherapeutin und Autorin Bärbel Wardetzki zeigt die Phasen der Veränderung, die zu einem Neubeginn führen.

Dr. Bärbel Wardetzki
Krisen läuten Veränderungen ein und wer ihnen mutig begegnet, kann sich selbst besser kennenlernen, an den Erfahrungen wachsen und neues erschaffen. Die bekannte deutsche Psychologin, Psychotherapeutin und Autorin beschreibt in ihrem Buch "Loslassen und Dranbleiben – wie wir Veränderungen mutig begegnen", dass gravierende und nachhaltige Veränderungen durch eine Krise nicht von heute auf morgen geschehen, sondern ein laufende Entwicklungsprozesse sind, die Anpassung erfordern. Die Kunst besteht darin, all das loszulassen, was uns beschwert und an all dem dranzubleiben, was wir uns wünschen und was uns wichtig ist.
Auf diese Weise schaffen wir es, uns auf neue Situationen einzustellen, Veränderungen mutig anzugehen und sie als Chance zu begreifen.
Umbruch und Tiefpunkt
1. Jetzt ist alles noch gut
Mit altem Status ist der Status quo gemeint, in dem wir uns gerade noch befinden. "Es ist alles wie immer und wir haben nicht die Absicht, etwas daran zu verändern", sagt Bärbel Wardetzki. Und dann passiert etwas, das uns plötzlich aus der Bahn wirft und uns "den Boden unter den Füßen wegzieht".
2. Schock und Widerstand
Dieser Absturz versetzt uns in einen Schockzustand. Weil es so schlimm ist, wehren wir uns dagegen und wollen nicht wahrhaben, was geschieht. Wir wollen keine Veränderung zulassen und halten uns verzweifelt an allem Altbewährten fest und beschönigen die Situation, um ein Gefühl von Schutz und Sicherheit zu haben. Widerstand und Selbstschutz sind in dieser Phase am stärksten.
"Jetzt ist es wichtig, Unterstützung zu haben und empathisch mit sich selbst zu sein, um uns zu beruhigen, zu entlasten und zu stärken", so Wardetzki weiter, "Auch Ruhe bewahren ist jetzt entscheidend, denn blindes Agieren kann nun auch mehr schaden als nützen.
3. Chaos und Tal der Tränen
Jetzt brechen tiefe Emotionen auf, die zuerst aus Schutz noch beiseite geschoben wurden. Wir fühlen uns macht- und hoffnungslos. In diesem Chaos kommen alle Gefühle ungeordnet hoch. Wir sind zwischen Wut, Trauer, Angst, Panik und Verzweiflung hin- und hergerissen und wissen nicht, was uns helfen kann. "Jetzt ist es befreiend, die Gefühle zu spüren und auszudrücken, zum Beispiel, indem wir der Wut und Trauer freien Lauf lassen und dabei weinen und schreien", so Wardetzki. Außerdem sollten wir jetzt unsere Unterstützungssysteme aktivieren: Familie, Freunde, Berater etc. um Kurzschlusshandlungen zu vermeiden.
4. Tiefpunkt
Was die Phase einläutet, ist der sogenannte Tiefpunkt. "Dieser ist von wesentlicher Bedeutung für unsere innere Wandlung", sagt Wardetzki, "In dem Tiefpunkterlebnis begegnen wir dem österlichen Prinzip des Stirb und Werde." Es muss also zuerst etwas in uns sterben, damit etwas Neues beginnen kann. "Der Tiefpunkt ist der tiefste Punkt und zugleich die Talsohle, an der es wieder aufwärts gehen kann", so Wardetzki. Entscheidend für die Wende ist, dass das Festhalten an dem Alten viel belastender ist als der Mut, sich etwas Neuem zuzuwenden.
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Einsicht und Neuanfang
1. Jetzt beginnt die Arbeit
Nach dem Tiefpunkt sind wir noch nicht am Ziel – denn jetzt fängt die Arbeit erst an. Auch, wenn es oft so aussieht, als wäre die Lösung nun gefunden, braucht es in großen Krisen ab nun eine fortlaufende Entwicklungsarbeit. Die Richtung ist klar, die Umsetzung muss noch erfolgen. "In dieser Phase müssen wir immer wieder mit Irrwegen, Irrtümern und Rückschlägen rechnen", sagt Wardetzki, "Somit ist ein Rückfall in die Phase 2 des Widerstandes jederzeit möglich." Dennoch tasten wir uns mutig an das Neue heran und merken in kleinen Schritten, wie aus eigener Kraft unser Wachstum und anhaltende Veränderung geschieht. "Am Ende dieser Phase haben wir uns idealerweise mit der neuen Situation ausgesöhnt und Vorstellungen für eine Neuorientierung entwickelt", so die Psychologin und Psychotherapeutin.
2. Integration und Selbsterweiterung
Nun geht es stetig aufwärts. Und auch, wenn uns ein steiles Stück Weg noch bevorsteht, sehen wir Licht am Ende des Tunnels. "Wir beginnen, die Situation allmählich zu akzeptieren, integrieren neues Verhalten in unser Verhaltensrepertoire und spüren eine innere Veränderung, ein inneres Wachstum und eine größere Kompetenz", sagt Bärbel Wardetzki. Wichtig ist, sich vorzunehmen, keinesfalls zu früh auszugeben. Denn: "Veränderungsprozesse dauern oft sehr lange, bis sie zu einem guten Abschluss kommen."
Doch der Weg lohnt sich – denn am Ende haben wir neue Einsichten gewonnen und alles hinter uns gelassen, was uns nicht mehr dienlich ist.
Buchempfehlung:

"Loslassen und dranbleiben – Wie wir Veränderungen mutig begegnen", Bärbel Wardetzki, Kösel Verlag, € 19,--