Lieber echt als perfekt
Die Salzburger Mental- und Persönlichkeitstrainerin Gabriele Wimmler schreibt jeden Monat in „Lust aufs LEBEN“. Diesmal verrät sie, warum uns Perfektionismus nicht weiterbringt – und wir längst gut genug sind.
Kennen Sie das Gefühl „Was immer ich tue, es ist nicht genug“? Wie in einem einsamen Hamsterrad zieht man seine Runden, aber ein Gefühl der Zufriedenheit stellt sich nicht ein. Allerorts und jederzeit wartet Arbeit, der Stapel auf dem Schreibtisch ist noch riesig, das Lebensmotto lautet: „Ich bin nur liebenswert, wenn ich etwas leiste!“ Wir leben in einer Gesellschaft, die uns permanent zu bestimmten Zielen drängt und uns mit Normen und Kategorien konfrontiert. Sie sollten die Vorstellung loslassen, dass Sie perfekt sein müssen. Denn Sie sind schon perfekt, so wie Sie sind – und Sie müssen gar nichts dafür tun.
Lebensgeschichte entscheidet
Natürlich ist es wichtig, dass wir unser Bestes geben. Es spricht für uns, wenn wir unsere Aufgaben zuverlässig und kompetent erledigen und uns nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden geben. Perfektionismus ist jedoch dann ungesund, wenn wir unser Selbstwertgefühl vom Erfolg abhängig machen. Die Frage ist hier: Welcher Antrieb steckt dahinter? Perfektionismus ist eine meist tief in der Lebensgeschichte verwurzelte Grundhaltung. Man trifft sie oft bei Menschen, die als Kind schon früh die Erfahrung gemacht haben: „Ich werde für das geliebt, was ich leiste, nicht für das, was ich bin.“ Oder: „Nur wenn ich Klassenbeste bin und Klassensprecherin, im Sport den ersten Preis gewinne, dann beachten und loben mich meine Eltern.“
Persönlichkeitstrainerin Gabriele Wimmler im Interview mit Lust aufs LEBEN-Chefredakteurin Kristin Pelzl-Scheruga
Leistungsdruck ist schwer loszuwerden
Dieser tief verinnerlichte Leistungsdruck ist oft schwer wieder loszuwerden. Es lauert immer die tiefsitzende Angst „Wer oder was bin ich denn noch, wenn ich nicht perfekt bin? Wenn ich nicht überall die oder der Beste bin? Bin ich dann überhaupt noch liebenswert?“. Und wie so oft geht es bei dieser Entwicklungsaufgabe letztendlich darum, einen wertschätzenden Umgang mit sich selbst zu pflegen, eigene Werte zu definieren und sich nicht permanent mit anderen zu vergleichen. Die meisten Eltern wollen zwar das Beste für ihr Kind, können es ihm aber häufig nicht geben – nämlich bedingungslose Annahme und Liebe. Stattdessen konfrontieren sie das Kind mit unzähligen Erwartungen, Forderungen, Geboten und Verboten und glauben, so das Kind zu „erziehen“. In den meisten Fällen jedoch geben sie nur ihr eigenes „Unglücklichsein“ weiter. Gerade Frauen sind prädestiniert dafür, 90 Prozent der Dinge, die sie gut machen, als selbstverständlich zu sehen und sich für die restlichen zehn Prozent, die sie nicht perfekt machen, zu kritisieren. Das Leben ist nicht perfekt, und seien wir doch ehrlich: Wir mögen auch keine perfekten Menschen. Sich Fehler einzugestehen und zu seinen Schwächen zu stehen, sehe ich mittlerweile als große Stärke.
Eigenlob stinkt nicht
Praxistipp für den Alltag: Führen Sie eine „Ist schon erledigt“Liste! TodoListen kennt jeder. Aber was wir alles jeden Tag leisten, das fällt uns oft gar nicht mehr auf. Höchste Zeit also, uns dafür mal zu loben. Denn bei all den Pflichten, die uns auf den Schultern liegen, vergessen wir leicht, was und wie viel wir eigentlich schaffen. Und das ist einiges!
Stellen Sie nicht zu hohe Ansprüche an sich selbst; schenken Sie sich lieber Anerkennung für all das, was Sie bisher geschafft haben. Seien Sie stolz auf sich!
Gabriele Wimmlers aktuelle Kolumne lesen Sie in jeder Ausgabe des Lust aufs LEBEN-Magazins!