Was nach dem Schmerz passiert, bestimmen wir

Was nach dem Schmerz passiert, bestimmen wir

Schmerz gehört zum Leben, Leiden erschaffen wir selbst. Wir wir aussteigen

"Manche Dinge im Leben tun einfach scheiße weh, und das ist auch okay so", schreibt Diane Hielscher in ihrem Buch "Liebe neu Denken" (Knaur Verlag), "Daran merken wir, dass diese Dinge uns wichtig sind." Aber ob wir Jahre später noch darunter leiden, ist unsere Wahl – unter anderem auch dank Neuroplastizität. Je länger und häufiger wir über unseren Schmerz reden und darüber nachdenken, desto lebendiger und wacher halten wir ihn. "Es ist wie Vokabeln lernen, nur wesentlich effektiver", so die Autorin weiter, "Die Demütigungs-Synapsen feuern, unterstützt von den Schmerz-Botenstoffen, und wir bauen die Autobahn vierspurig aus." Die heißt dann zum Beispiel: "Er hat mich verlassen, ich bin das Opfer, eine andere Frau war besser, ich bin nichts wert."

Die alte Geschichte hinter sich lassen

Fakt ist: Die alte Geschichte wird nicht besser, je länger wir sie uns erzählen. Diane Hielscher zitiert den Neurobiologen Gerald Hüther: "Dass wir irgendwann in der Lebensmitte unglücklich sind (die sogenannte Midlife-Crisis), liegt vor allem daran, dass wir uns selbst unser ganzes Leben lang verwickelt haben."
So haben wir als Kinder gelernt, leise zu sein und Formeln auswendig zu lernen. "Sei ein lieber Junge! Sei ein braves Mädchen!" waren die Prämissen, nach denen wir lebten - und oft heute noch leben. Bei unseren Freunden: Wir müssen cool sein, um dazuzugehören. Im Job: fleißig sein, nicht zu sehr kreativ und nicht zu wenig. "In der Beziehung: treu, nett, romantisch und bindungsfähig", schreibt Hielscher.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem es nicht mehr geht "Dann gehen wir fremd, weinen uns in den Schlaf, kündigen, werden krank, arbeiten uns in den Burn-out, überziehen unseren Dispo, werden spielsüchtig, trinken zu viel Alkohol und verlassen unsere Partner", so Diane Hielscher, "Wir schlagen um uns, weil wir diesen fest gebundenen Faden loswerden wollen. Wir wollen endlich mal wieder etwas spüren, uns lebendig fühlen – selbst Schmerz ist in dieser Situation besser, als nur zu funktionieren." Das bedeutet also: Lieber weinen, als immer nur putzen, arbeiten, kochen, Kinder ins Bett bringen, studieren.

Sucht statt Freude?

Die einfachsten Wege, sich lebendig zu fühlen (oder, wie Neurologen sagen: Kohärenz im Gehirn herzustellen), sind, Alkohol, Drogen, Shoppen, viel Essen oder Sex. Wir können uns beispielsweise schnell jemanden in der Außenwelt suchen, der uns wieder Schmetterlinge im Bauch beschert, weil wir es selbst nicht schaffen. Irgendwer, schnell. Dank Tinder, OkCupid, Parship und wie die Datingplattformen alle heißen, ist das nicht mal schwer. Beim nächsten Date könnten die Schmetterlinge wieder da sein, hinter jeder Ecke könnte das Gefühl wieder lauern: das Sich-lebendig-Fühlen. Endlich wieder den ganzen Tag lang grinsen, das Kribbeln zwischen den Beinen, wenn man an den anderen denkt, sich kennenlernen, ganz große Gefühle spüren, tolle Gespräche führen. Wo ist diese Person, die dafür sorgt, dass ich mich endlich wieder gut fühle?
"Doch wenn dann keine*r kommt, geht der ganze Schmerz wieder von vorne los", so Hielscher.
Um aus diesem Teufelskreis des Schmerzes auszubrechen, braucht es eine bewusste Entscheidung und den Mut, etwas Neues zu tun – was vorerst bedeutet, ins Unbekannte zu gehen. Doch das Geschenk dass dann wartet, ist, emotional frei, stark und unabhängig zu sein – und auf Basis dessen wahre Freude zu empfinden und tiefgehende authentische Beziehungen einzugehen.

Aus dem Buch:

"Liebe neu denken - Dem Geheimnis glücklicher Beziehungen auf der Spur", Diane Hielscher, Knaur Verlag