Noch einmal von vorne

Die Zeichen stehen auf Neustart.

Die Zeichen stehen auf Neustart.

Neustart. Altes aufgeben, um Neues zu beginnen? Viele Menschen wollen etwas in ihrem Leben ändern, wissen aber nicht wie. Experte, Mag. Christoph Schlick, verrät im Gespräch mit „Lust aufs LEBEN“ wie es geht.

Warum kommen Menschen zu Ihnen?
Christoph Schlick: Menschen kommen zu mir, wenn Sie an einem bestimmten Punkt im Leben nicht mehr weiterkommen. Das kann etwa eine neue Herausforderung sein, die sie überfordert, oder eine Situation, mit der sie alleine nicht mehr zurechtkommen. Oft spielt auch die Frage nach dem Sinn des Lebens eine Rolle.

Warum kommt es gerade bei Menschen rund um die 40 oft zu einer Sinnkrise?
Um das vierzigste Lebensjahr sind viele Menschen an einem bestimmten Punkt im Leben angekommen. Sie haben vieles davon, was sie sich mit 20 Jahren vorgenommen haben, erreicht. Ehepartner, Kinder, Eigenheim, eine gewisse Position im Job. Schöne Urlaube, vielleicht ein tolles Hobby. Sie sind also scheinbar am Ziel angelangt.

Aber das alles klingt doch erstrebenswert?
Schlick: Auf den ersten Blick ja. Aber dann erkennen sie, dass die Ziele, denen sie so lange nachgelaufen sind, ihr Leben nicht zur Gänze erfüllen. Plötzlich tauchen Sinn-Fragen auf: „War es das? Ist das mein Leben, so wie ich es mir vorgestellt habe?“ Wir schmieden unsere Lebenspläne in einem Alter, in dem wir noch nicht so selbstreflektiert sind wie in reiferen Jahren. Wir sind eher dazu verleitet, gängige Ziele anzusteuern. Am Ziel angekommen erkennen jedoch viele Menschen, dass ein tolles Auto, eine angesehene Position oder ein großes Haus alleine nicht reichen, um Sinn im Leben zu finden.

Man weiß auch: Man hat nicht mehr alle Zeit der Welt, um sich Wünsche zu erfüllen ...
Richtig. Das Thema Vergänglichkeit spielt mit zunehmendem Alter eine immer bedeutsamere Rolle. Man wird mit Krankheit und Endlichkeit konfrontiert, etwa wenn die eigenen Eltern oder Freunde erkranken. Auch die eigene Gesundheit ist oft nicht mehr so stark wie noch mit 30 Jahren. Das ist an sich ein natürlicher Prozess, doch an diese Herausforderung muss sich der Mensch erst gewöhnen.

Was machen Menschen, um wieder Sinn in ihrem Leben zu finden?
Viele tun das, was sie bereits gewohnt sind, nach dem Motto „more of the same“. Sie kaufen mehr, sie arbeiten mehr, stürzen sich in exzessiven Sport oder eine neue Ausbildung. Das bringt sie aber nicht weiter, und sie spüren weiterhin eine Leere in sich.

Was hilft dagegen?
Es gibt keine Pauschallösungen. Diese Reise zu sich selbst ist eine Wanderung, Schritt für Schritt, die nie endet. Entscheidend ist die Frage: „Was liegt da noch in mir?“ Wenn diese Reisen ins Innere nicht stattfinden, besteht die Gefahr, dass das Leben hohl bleibt. Viel im Außen zu haben, heißt noch lange nicht, wirklich glücklich zu sein.

Wie gelingt es, diesen tiefen Sinn in sich zu entdecken?
Ein ganz bedeutendes Wort, das auch in meiner Arbeit zentral ist, ist die Sehnsucht. Jeder von uns kann diese Sehnsucht spüren. Manche Menschen haben vielleicht durch ihre Kinder oder andere Gegebenheiten in der Vergangenheit nicht die Ausbildung absolvieren können, die sie sich wünschen. Oder sich auch nicht getraut, den Beruf auszuüben, der zu ihnen passt. Hilfreich ist auch die Frage: Was könnte mein Beitrag im Leben sein? Ist er sozialer, kultureller oder eher politischer Natur?

Inwiefern können hier Experten helfen, Lösungen zu finden?
Psychologische Beraterinnen und Berater können eine gute Unterstützung sein. Sie können Impulse geben und beim Reflektieren helfen, Sehnsüchte entdecken und Wege aufzeigen. Doch ich rate Sinnsuchenden zunächst: Weniger tun. Runterfahren. Innehalten. Nicht noch mehr die Angebote im Außen suchen, sondern zu sich kommen.

Wie schafft man das konkret?
Sich Momente der Ruhe nehmen, hi-nausgehen in die Natur. Meditieren lernen. Grundsätzlich tut alles gut, was beim Entschleunigen hilft. Auch Neugierde ist hilfreich, ebenso wie Geduld.

Veränderungen brauchen also Zeit?
Die Entwicklung verläuft meist in vier Schritten: Stop, Analyse, Verändern, Tun. Wenn ich etwa mit meinem Job unzufrieden bin, muss ich erst einmal innehalten. Dann denke ich darüber nach, was mich daran stört und was ich mir anders vorstelle. Darauf folgt die Veränderung, also der Anstoß zum Neuen, und schließlich das Tun, das konkrete Handeln. Viele Menschen analysieren, aber verändern nichts. Dabei verpufft die Energie. Und dann ist Zeit verschwendet ...

Allzu oft beginnen wir Veränderungen, fallen dann aber doch wieder in unsere alten Muster zurück. Warum?
Aus Angst vor der Größe der Aufgabe bleiben viele Menschen in ihrem Kreislauf stecken. Dabei geht es nicht darum, gleich alles zu verwerfen und das Leben komplett umzukrempeln, einen Job zu kündigen oder eine Beziehung aufzugeben. Einfacher und sinnvoller ist es, kleine Veränderungen anzustoßen. Einzelne Facetten verändern, Schritt für Schritt.

Was raten Sie zum Beispiel einer arbeitenden Mutter, die zwischen Job, Familie und Haushalt zerrissen ist – und die Sehnsucht nach einer Veränderung spürt?
Veränderung muss nicht um jeden Preis sofort stattfinden. Ich rate: Weg mit dem Druck und einmal innehalten. Das eigene Leben analysieren und erkennen: Es ist schon eine riesige Leistung, den Alltag zu bewältigen, täglich etwa das Frühstück zu machen und die Kinder zu versorgen. Die Ansprüche sind oft zu hoch. Gerade Frauen haben häufig das Gefühl, immer mehr leisten zu müssen. Doch gerade die Kleinigkeiten im Alltag, die so selbstverständlich scheinen, sind so viel wert. Es hilft oft schon sehr, sich das bewusst zu machen.

Mag. Christoph Schlick

Mag. Christoph Schlick

Der Experte:

Mag. Christoph Schlick, Logotherapeut und Gründer des Sinnzentrums Salzburg, Info: www.sinnzentrum.at

Wie verschiedene Frauen einen Neustart erfolgreich geschafft haben, lesen Sie in der aktuellen Lust aufs LEBEN (September-Ausgabe).