Wie funktioniert das 12 Schritte-Programm?

Wie funktioniert das 12 Schritte-Programm?

Wir haben mit dem Anonymen Alkoholiker Manfred, 60, über das Suchtentwöhnungskonzept gesprochen.

Lust aufs LEBEN: Sie sind selbst Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern. Seit wann?
Manfred: Ich bin vor 20 Jahren das erste Mal zu den AA gekommen, nachdem ich bereits 25 Jahre getrunken habe. Ich habe mit 15 Jahren damit angefangen.

Lust aufs LEBEN: Warum?
Manfred: Die ersten zehn Jahre habe ich ohne schlechtem Gewissen getrunken. Ich habe als Teeanger angefangen und war ein Partytrinker. Das Trinkverhalten hat sich nach und nach bei Heurigen und Seefesten verstärkt. Ich habe mit 15 habe angefangen, weil ich damals relativ schüchtern war und das Trinken hat mir darüber hinweggeholfen. Es hat sich dann verselbstständigt.

Lust aufs LEBEN: Wann wurde das Trinken zum Problem?
Manfred: Die ersten zehn Jahre war es nicht wirklich ein Problem. Mit 25 etwa fing ich zum Nachdenken an, warum mich meine Freunde auf Parties einluden – weil sie mich wirklich mochten oder weil ich durch den Alkohol für gute Unterhaltung sorgte? Ich habe dann angefangen, mich zuhause zurückzuziehen und auch alleine zu trinken. Im Elternhaus wurde auch immer Alkohol getrunken. Es war normal.

Lust aufs LEBEN: Wann erkannten Sie, dass Sie Alkoholiker sind?
Manfred: Bei den AA sagen wir immer: Der einzige Mensch, der einem sagen kann, dass man Alkoholiker ist, ist man selbst. Keiner wird bei den AA sagen, du bist ein Alkoholiker oder nicht! Nur zwei Fragen geben Aufschluss darüber: Wenn ich etwas trinke, trinke ich mehr als ich vorgehabt habe? Und: Kann ich nicht nichts trinken?
Das Problem ist: Alkoholkonsum wird geschützt und nahezu gefördert. Wenn ein junger Mensch nichts trinkt, ist er zumindest nicht dabei. Alkoholismus ist eine geistig-seelische und körperliche Krankheit. In dieser Reihenfolge befällt es einen. Wenn der Körper befallen ist, ist die Seele schon ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Als ich es bemerkt habe, war ich schon mittendrin.

Lust aufs LEBEN: Hat Sie jemand darauf angesprochen?
Manfred: Wenn jemand einen Termin versäumt mit Alkohol, ist er nicht da und arbeitet nicht. Am nächsten Tag holt er es ruckzuck auf und sagt, alles ist ok. Alkoholismus ist ein allgemeines Tabu. Kein Kollege sagt: Ich habe das Gefühl, du trinkst zu viel!

Lust aufs LEBEN: Warum haben Sie weiter getrunken?
Manfred: Es gibt Alkoholiker, die hören nach 20 Jahren auf. Aber wenn dann wieder ein Achterl trinkt, wird die Sucht sofort wieder ausgelöst. Es heißt: Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker! Bei den Treffen mit den AA stelle ich mich vor mit „Ich bin Manfred und ich bin Alkoholiker.“ Und das, obwohl ich seit 20 Jahren trocken bin. Alkoholismus ist eine Krankheit, die man stopfen aber nicht heilen kann. Bei den AA verlernt man das Trinken, aber die Krankheit ist immer noch da.

Lust aufs LEBEN: Woraus besteht das 12 Schritte-Programm?
Manfred: In den ersten beiden Schritten geht es darum, zu erkennen und einzugestehen, dass ich krank bin und Hilfe brauche sowie um die Einsicht, dass ich der Krankheit gegenüber machtlos bin. Das ist die Eintrittskarte. AA ist ein spirituelles Programm – wir glauben also an eine höhere Macht, wobei wir an keine Religion gebunden sind. Im 3. Schritt vertraue ich und akzeptiere diese Lösung. Das ist einer der wesentlichen Schritte! Die meisten von uns sind beseelt davon, dass wir alles alleine schaffen. Wir müssen also von unserem Ego runter gehen.
Im 4. Schritt geht es darum, mich mit mir selbst zu beschäftigen und Dinge zu finden, die mich in Unruhe bringen. Im 5. Schritt akzeptieren wir das und besprechen es mit einer anderen Person, die uns zuhört. Im 6. Schritt und 7. Schritt machen wir uns bereit, diese negativen Dinge von Gott bzw. der höheren Macht beseitigen zu lassen. Im 8. und 9. Schritt schaue ich mir an, wen ich verletzt habe und ich sehe meine eigenen Anteile an meinen Problemen an. Dann kann ich schauen, wie ich das wieder gut machen kann.

Wichtig ist, sich selbst wieder als liebenden und liebevollen Menschen zu erfahren, der sich selbst dazu ermächtigt, Verantwortung zu übernehmen und seine Probleme zu lösen. In den letzten drei Schritten geht es darum, bewusster zu werden und die ersten Schritte ab sofort auch in der Zukunft in das Leben zu integrieren. Das Ziel ist, dass ich kein Problem mehr mit den Leuten habe und von Tag zu Tag ein gutes Leben führen kann.
Wenn ich eine Lebenseinstellungsänderung mache, ist es ein spirituelles Erwachen: Dazu gehört, von einem Tag zum anderen das erste Glas Alkohol stehen zu lasen. Es ist möglich, zum Trinken aufzuhören. Das Wichtigste ist: Du muss es nicht alleine machen, weil alleine schaffst du es nicht!
Informationen und Kontakt: www.anonyme-alkoholiker.at

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