Verurteilen Sie sich selbst? Bloß nicht aus diesem Grund!
Viele Menschen setzen sich mit großem Ehrgeiz selbst herab – aus diesem fatalen Grund.
Selbstliebe beginnt mit der Meinung, die man über sich selbst hat. Viele Menschen, die einen besonders ausgeprägten inneren Kritiker haben, folgen immer wieder einem unbewussten Muster: Sie klagen sich bei jeder Art von Kommunikation selbst an – fast schon egal, um welchen Inhalt es geht.
Sie führen zum Beispiel alles, was nicht optimal gelaufen ist, auf ihr eigenes (vermeintliches) Versagen zurück. So sagen sie zum Beispiel ständig Sätze wie: "Ich hätte xy tun sollen", "Das lag wohl daran, dass ich ...". Warum tun sie das?
Häufig ist das sich selbst-Schlechtmachen ein Schutz nach dem Motto: "Ich mache mich schlecht, bevor es jemand anderer macht – dann kann mir nichts passieren und jeder hat mich gern." Antreibende Kraft ist dabei unter anderem um die Angst vor Zurückweisung, die wiederum auf die Angst, nicht geliebt, gemocht und akzeptiert zu werden zurückzuführen ist. Fatal fühlt sich auch die Angst an, "nicht dazu zu gehören", also ausgestoßen zu werden und kein Teil einer Gemeinschaft zu sein.
Nun ist ein gewisses Maß an Selbstkritik gut und wichtig. Es dient uns auch als Selbstschutz vor unangemessenen Handlungen. Bei vielen Menschen ist diese Selbstkritik und Selbstabwertung jedoch vollkommen unangemessen und überzogen. Und das Schlimme ist: In diesem Ausmaß und Verhältnis schadet Sie einem selbst!
Wenn Sie sich in diesem Muster wiedererkennen, werfen Sie einen Blick sehr weit zurück: Wer sich übermäßig stark anpasst und Angst vor Kritik hat, wurde häufig schon in der Kindheit vor allem für Anpassung gelobt. Im Umkehrschluss dazu wurde Strafe erlebt, wenn er oder sie einfach so war, wie es dem Wesen entsprach. Gleich, ob ein Kind in der Wahrnehmung der Eltern "zu laut, zu leise, zu aktiv, zu passiv" oder sonst wie war – die Botschaft war immer: "So, wie du bist, bist du nicht richtig."
Die unausgesprochene – und sicherlich nicht bewusst gesendete – Ansage der Bezugspersonen an das kleine Wesen war: "Wenn du so bist, wie wir dich haben wollen, dann bist du gut, dann bist du richtig, dann gehörst du zu uns." Wie hat das Kind wohl über die Dauer hinweg reagiert? Als Überlebensinstinkt und Angst vor Strafe – zum Beispiel in Form von Liebesentzug – mit Anpassung an das gewünschte Verhalten und mit der Verleugnung seines wahren Selbst.
Wenn Sie merken, dass Sie sich selbst viel zu oft heruntermachen und ihr Licht unter den Scheffel stellen, könnte das Kind in Ihnen noch alte Schutzmechanismen aktivieren. Das erste, was hilft, ist das Bewusstwerden: Denn heute sind wir erwachsen und wir können
für uns selbst einstehen und sorgen. Dazu gehört auch, unsere Verhaltensmuster an das Heute anzupassen.
Susanne Prosser ist Lust aufs LEBEN-Online-Redakteurin und diplomierte Lebens- und Sozialberaterin.