„Wir sind keine Glücks-Roboter“

Ist das Glück ein Vogerl oder doch jeder seines Glückes Schmied?

Ist das Glück ein Vogerl oder doch jeder seines Glückes Schmied?

Psychotherapeutin Dr. Monika Wogrolly im Gespräch mit „Lust aufs LEBEN“ über den Sinn eines erfüllten Lebens und den grassierenden Glücksboom.

Was macht Menschen glücklich?

Monika Wogrolly: Die glücklichsten Menschen sind sicher nicht diejenigen, die sich am meisten Luxus leisten können. Die wirtschaftliche Absicherung ist eine mögliche, aber nicht unabdingbare Grundlage des Glücks. Tatsächlich ist Glück etwas sehr Intimes und Dynamisches. Man hat Glück nicht „einmal für immer gepachtet“. Glück ist für viele das befriedigende Gefühl, ein erfülltes Leben zu haben.

Und wann ist ein Leben erfüllt?

Wogrolly: Nicht beim rastlosen Anhäufen materieller Güter. Glück wird sehr oft mit Äußerlichkeiten und mit Besitz verwechselt. Das dient jedoch primär zum Aufpeppen eines geringen Selbstwertes und zur Kompensation von Selbstunsicherheit. Glück ist tatsächlich der Weg, aber auch das Ziel. Wenn Menschen kein Ziel mehr sehen, verlieren sie den Sinn. Und Sinn macht ein Leben erfüllt und glücklich. Mit Glück ist hier nicht ein hormoneller Rauschzustand gemeint, sondern ein Grundzustand des Daseins. Dieses Glück ist kein narzisstisches auf Kosten anderer, sondern hat vielmehr mit der Fähigkeit zum Dialog und mit Beziehungen zu anderen Menschen zu tun.

In unserer Gesellschaft herrscht fast schon ein Zwang zum Glücklichsein. Ist das noch gesund?

Wogrolly: Der Glücksboom ist geradezu wahnhaft und skurril geworden. Glück fungiert als Marketing-Aufhänger – als könne man es aus der Apotheke holen oder im Versandhaus bestellen. Glück ist aber kein Konsumartikel. Nur wer ehrlich zu sich selbst ist, wird glücksfähig. Nur wer sich schonungslos den eigenen Hoffnungen, seinen oftmals verdrängten Wünschen, Zielen und Visionen stellt, ist überhaupt imstande, sein Glück zu finden. Es geht um ein Suchen und Finden. Oft sind wir davon überrascht, was uns tatsächlich glücklich macht. Bei Achtsamkeitsübungen entdecken Menschen häufig, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Das kann wie ein gesunder Schock wirken. Ein gewisser Minimalismus, der Verzicht auf manche Konsumverhaltensweisen, ist unglaublich entlastend und beglückend. Die glücklichsten Menschen sind laut Forschung Insel­­bewohner aus ganz primitiven Verhältnissen. Das Gefühl, Teil der Schöpfung zu sein, macht Menschen glücklich, so wie auch das Erleben sinnvollen Tuns. Oft ist das größte Glück, geliebten Menschen oder Tieren Zeit zu schenken.

Warum kann Glück nie von Dauer sein?

Wogrolly: Glücklichsein als Dauerzustand gibt es nicht. Bei Achtsamkeitsübungen wird Menschen wundersam klar, wie nah ihr Glück des Alltags liegt und dass sie nur zugreifen müssten. Glück heißt ja nicht, dauerhaft in Hochstimmung zu sein. Barfuß über eine Wiese laufen oder selbstvergessen auf einer Parkbank sitzen, einfach nur da zu sein – das kann verlorenes Glück zurückbringen.

Ist nach schlank, erfolgreich und sportlich nun „glücklich“ das neue Ziel der Selbstoptimierung?

Wogrolly: Unter dem medialen Optimierungsdruck kommen immer mehr Menschen auf bio­chemische Strategien, um ihre Stimmungslage zu verbessern. Viele greifen zu Psychopharmaka, weil sie mit wechselnden Stimmungslagen, Trauer oder Wut nicht mehr umgehen wollen und können. Der Mensch ist aber kein Glücksroboter, sondern ein emotional schwingungsfähiges Individuum mit Ecken und Kanten, guten und schlechten Tagen. Genau das macht ihn ja auch menschlich und liebenswert.

Die Expertin:

Dr. Monika Wogrolly ist Psychotherapeutin, Philosophin und Autorin in Graz und Wien. Infos: www.wogrollymonika.at

Dr. Monika Wogrolly

Dr. Monika Wogrolly