Fjorde, Strudel, Hochkultur

Fjorde, Strudel, Hochkultur

Es muss nicht immer der Süden Europas sein. Besuchen Sie doch einmal Norwegen – ein „Nordlicht“ im Spannungsfeld zwischen Waldesruh und hippen Museumsmeilen ...

Noch immer denkt die Austria gerne an Trondheim zurück. Das liegt natürlich primär am 2:1-Sieg der Wiener „Violetten“ Ende August bei Rosenborg Trondheim, der den Sprung in die Gruppenphase der Fußball-Europa-League und damit weitere Spiele und Einnahmen bis in den Dezember hinein fixierte. Aber die Good Vibrations haben auch mit der Stadt Trondheim selbst zu tun. Austrias Kommunikationschef Christoph Pflug: „Eine liebe, nette Studentencity mit freundlichen Menschen, putzigen rot-weißen Häusern und dem Hafenviertel Solsiden, das Erinnerungen an die Grachten von Amsterdam weckte. Und dann hatte auch noch die Queen Mary 2 quasi vor dem Mannschaftshotel angelegt!“

OPERNARIEN UND NATUR PUR. Dabei zählt Trondheim noch nicht einmal zu den Highlights von Norwegen. Das sind andere. Egal ob Stadt, egal ob auf dem Land. Bleiben wir zu Beginn trotzdem im Urbanen. Oslo, die Hauptstadt: Das einstige skandinavische Dornröschen wird längst als hellwache Beauty und als Boomtown gefeiert – aufregend, hip, lebendig, mit Designhotels, coolen Restaurants und Bars und poppigem Nightlife für eine hungrige junge Crowd. Das Museale wird nur noch dort zelebriert, wo es hingehört – im Museum. Selbst für einen Ort wie Oslo mit langen, dunklen Wintern ist die Dichte an Kulturbildungsinstitutionen außergewöhnlich: Das Opernhaus mit seinem begehbaren Dach war das größte norwegische Kulturprojekt der Nachkriegszeit und soll an einen treibenden Eisberg erinnern. Dem Maler Edvard Munch („Der Schrei“) ist ein Museum gewidmet; das „Astrup Fearnley“, das die Privatsammlung eines reichen Reeders beherbergt, wurde von Renzo Piano entworfen. Das „Fram“ präsentiert das Schiff der Polarforscher Amundsen und Nansen, das „Kon Tiki“ das Floß von Thor Heyerdahl, mit dem er 1947 von Peru nach Polynesien segelte. Dann – logisch und selbstredend nationale Pflicht – das Wikingerschiffmuseum auf der Halbinsel Bygdøy. Plus ein Museum für den Dramatiker Henrik Ibsen. Stop. Kein Platz für noch mehr Kulturangebote. Lasst uns auf der Landkarte links abbiegen, nach Bergen: Die liebliche zweitgrößte Stadt des Landes ist Ausgangspunkt der berühmten „Hurtigruten“-Flotte – ehemalige Postschiffe, die bis Kirkenes, zum „Ende der Welt“, verkehren und auf dieser mehrtägigen Kreuzfahrt an Bord und bei den Landausflügen viel über das Naturparadies Norwegen verraten: spektakuläre Küste, mächtige Fjorde, Wasserfälle, Wälder, Fischereisiedlungen, Nordkap-Feeling.

IM REICH DER SIEBEN SCHWESTERN. Die größte Attraktion: der Geiranger-Fjord , ein Muss für jeden Touristen. Die Einfahrt ist mindestens genauso beeindruckend wie die Auffahrt auf der „Adlerstraße“ mit ihren elf Haarnadelkurven. Auch die Wasserfälle, die en passant mitgenommen werden, versprühen pure Romantik: Sie wurden „Die sieben Schwestern“ getauft oder auch „Brautschleier“. Noch feuchtere Begegnungen verspricht ein Trip von Bodo, wo die Fähren zu den Lofoten (mehr über diese Inselgruppe auf Seite 75) ablegen, zum „Saltstraumen“. Laut Wikipedia ist das der stärkste Gezeitenstrom der Welt. Quasi viele Whirlpools auf einmal, und alle gleichzeitig in Betrieb. Teilnehmer an diesem Wasser-Rodeo schilderten „Lust aufs LEBEN“ mit Schnappatmung ihre Erlebnisse: „Du düst, ausgerüstet mit einem Überlebensanzug, auf einem Schlauch-Speedboot mit 90 Sachen durch die fischreichen Fluten. Auf einmal stellt der
Guide im Strudel den Motor ab. Du beginnst sofort, dich zu drehen. Als du denkst, jetzt wirst du verschluckt, wird der Motor wieder angeworfen und du hebst mit dem Boot ab!“
Wem schon beim Lesen schwindlig wird, der sollte sich im Umkreis des Saltstraumen lieber eine harmlosere Freitzeitbeschäftigung suchen. Zum Beispiel die Angel auswerfen oder auf den Bodo vorgelagerten Inseln Bird- statt Baywatch spielen und die Seeadler-Kolonien unter die Lupe nehmen.

HUNDESCHLITTEN UND FLOWER-POWER. Herrlich fischen lässt es sich auch in der unberührten Natur rund um Tromsø, einem Schneeparadies 350 Kilometer nördlich des Polarkreises. Hundeschlittenfahren ist dort für Outdoor-Fans eine weitere mögliche Aktivität. Stille Genießer verfolgen mit jeder Faser ihres Körpers das faszinierende Naturschauspiel des Nordlichts. Auch sonst ist Tromsø Heimat nicht ganz alltäglicher Sehenswürdigkeiten: der nördlichste botanische Garten der Welt, die nördlichste Bierbrauerei, die arktische Erlebniswelt „Polaria“ mit einem Aquarium und – das Osloer Beispiel macht offenbar Schule – eine Reihe von Museen.

Wer aber ausschließlich urwüchsige Natur um sich haben will, sollte viel weiter südlich in der Nähe von Ålesund nach Valldal – Heimat eines sehr speziellen Boutiquehotels in ländlicher Abgeschiedenheit: Das an einem rauschenden Fluss gelegene „Juvet Landskapshotell“ besteht aus nur neun Wohneinheiten, die man sich am besten als riesige Schuhschachteln aus Holz und Glas vorstellt, puristisch eingerichtet, sodass die Birken, Pappeln, Kiefer und Berggipfel beim Blick durch die großen Fensterfronten noch mehr Wirkung entfalten können. Das renommierte US-Magazin „Travel + Leisure“ verlieh der Boxen-Siedlung schon bald nach der Eröffnung einen Design-Award in der Kategorie „Bestes kleines Hotel“. Die Idylle lässt sich übrigens jederzeit mit Action aufladen: Skifahren, Klettern, geführte Wanderungen, Rafting.

WANN SCHIESST 007 UMS ECK? Das (geografische) Ende Norwegens ist hoch oben im Norden in Kirkenes erreicht, finales Etappenziel auch für die Hurtigruten-Schiffe . Rostige Seelenverkäufer schaukeln im Hafenbecken. Ein wenig morbid, ein wenig gespenstisch das alles – die ideale Location für einen Agentenfilm à la „James Bond“, „Mission Impossible“ oder „Jason Bourne“. Die russische Grenze ist hier so nahe, dass man fast rüberspucken könnte. Und welchem Urlaubertyp bleibt garantiert die Spucke weg, wenn er sich nach Norwegen aufmacht? Lohnenswert ist der Trip auf jeden Fall für Menschen, die gerne in der Natur sind, Wind und Wetter nicht scheuen, das kleine Abenteuer suchen und ein Auge für das magische Licht haben. Hobbyfotografen; Ehepaare, die sich in der Pension die erste große Reise leisten, ihren runden Hochzeitstag feiern – und natürlich unzählige Wiederholungstäter. Die können auch so herrlich leidenschaftlich über die beste Reisezeit diskutieren. Am Ende sind es unverblümte Liebeserklärungen sowohl an die Mitternachtssonne und die leuchtenden Farben des Herbstes als auch an die zünftigen Schneestürme.

Weitere Norwegen-Tipps stehen in der aktuellen Ausgabe von Lust aufs LEBEN (Oktober 2016).