Einmal rund um die Welt und retour

Ausflug zur Ilha Grande, der berühmtesten Blumeninsel Brasiliens.

Ausflug zur Ilha Grande, der berühmtesten Blumeninsel Brasiliens.

Die Journalistin Waltraud Hable geht elf Monate alleine auf Weltreise. 106,543 Kilometer weiter ist sie viele Erfahrungen reicher ...

Alleine rund um die Welt - wie lernt man unterwegs am besten Menschen kennen?

Ich schätze am besten, indem man offenbleibt und sich nicht hinter der Navigations-App des Handys verschanzt, um nur ja nicht nach dem Weg oder sonst etwas fragen zu müssen. Auch ein ernstgemeintes Kompliment hilft mitunter weiter. Ich habe mal einer Frau in Buenos Aires gesagt, dass ich ihr Kleid wahnsinnig schön finde – ehrlich gesagt schielte ich neidisch auf das Teil – und schwupps tauschten wir uns in holprigem Spanglisch über die Geschäfte in der Stadt aus. In Thailand habe ich zwei ganz tolle US-Amerikanerinnen in meinem Alter kennengelernt. Es nieselte leicht und ihr Tisch im Restaurant war der einzige, der überdacht und halbwegs trocken war, also fragte ich, ob ich mich vielleicht zum Essen an ihren Tisch sitzen dürfe. Hätte ich nichts gesagt, ich hätte so viel versäumt. Binnen einer halben Stunde hatten wir uns unsere Lebensgeschichten erzählt und die nächsten Tage machten wir gemeinsam Ausflüge in der Umgebung. Zum Abschied ließen sie mir gefühlte drei Liter Sonnencreme und einen Stapel Klatsch-Magazine da. Ich bin mit den Mädels bis heute über Facebook in Kontakt. Auch Aufrufe unter Facebook-Freunden „Wer kennt jemanden in dieser Destination?“ können was bringen. Eine Bekannte in Österreich hat mich mit etwa kurzerhand mit zwei Leuten in Sydney connected, die mich wie eine alte Freundin aufnahmen, obwohl sie mich zum ersten Mal gesehen haben. Und dann war da natürlich tinder, eine großartige Kontaktplattform. Ich weiß, der Ruf der Dating-App ist nicht der beste. Aber ich habe dort viele Gratis-Reiseführer rekrutiert. Männer sind auch nur Menschen und mitunter nicht die schlechtesten – und vor allem waren sie froh, sich nicht durch „Hey, what’s up? How was your day?“ Konversationen quälen zu müssen. Sie überschlugen sich förmlich, mir die besten Tipps für „ihre“ Stadt zu geben. Viele habe ich gar nicht persönlich getroffen, wir haben gechattet und ich habe brav Notizen gemacht :-)

Hast du dich öfter einsam gefühlt? Was hilft?

Einsam nie, alleine mitunter schon. Das ist ein großer Unterschied. Manchmal ist man müde, alles selbst organisieren zu müssen, man wünscht sich eine Schulter zum Anlehnen oder jemanden, der einem über den Kopf streichelt und „Ei, ei, ei“ sagt. Was da hilft? 1. Schokolade und sich ein, zwei Tage die Decke über den Kopf ziehen. Hin und wieder den Blues zu haben ist okay – daheim ist man ja auch nicht 365 Tage dauerhappy. 2. Digital Detox hilft ebenfalls, denn die „Alles ist super“-Fotos von Freunden auf Facebook oder Instagram ziehen einen im falschen Moment runter. Plötzlich will man auch ein Haus mit Hypothek und drei plärrende Kinder, obwohl man gerade an einem traumhaften Ort der Welt ist. 3. Helfen Punkt 1 und Punkt 2 nicht, dann hilft immer Bewegung. Raus aus die Straße gehen. Die Geschmacksnerven überraschen oder sich mit neuen Eindrücken ablenken. Zumindest war das bei mir so.

Was sollte man unbedingt machen, wenn man auf Weltreise geht, was sollte man auf keinen Fall tun?

Do:

1. Alles essen, was einem unterkommt. Ich finde, man kennt eine Destination erst, wenn man die Eigenheiten der lokalen Küche genossen hat. In Essen steckt so viel Kultur, meine Weltreise war wie ein kaloriengeladener Sachkunde- und Geschichtsunterrricht. Ich habe an manchen Stopps sogar Kochkurse belegt, um zu lernen, wie man echte argentinische Empanadas oder Okonomiyaki, eine Art japanischer asiatische Pizza, macht.

2. Ein paar (ausgewählte) Mitbringsel nach Hause schicken (oder mitschleppen). Ja, die schönsten Momente trägt man zwar im Herzen. Aber ich schaue heute gerne auf die Holzschnitzfigur aus Myanmar oder das antike Türschloss aus Indien. Sie erinnern mich täglich daran, wie vielfältig diese Welt doch ist und zaubern mir ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht.

3. Nach dem Weg oder der Uhrzeit fragen. Und sich nicht hinter dem Display oder der Navi-App des Handys zu verstecken. Einheimische beißen nicht, im Gegenteil, sie öffnen Tür und Tor zu einem neuen Universum.

Don´t:

Jeder Sehenswürdigkeit aus dem Reiseführer hinterher jagen. Wenn man monatelang unterwegs ist, schauen irgendwann alle Kirchen, Tempel und Museen gleich aus. Weniger ist mehr. Man überlebt es, sich eingestehen zu müssen: „Nein, ich habe das legendäre Teatro Colon nicht von innen gesehen, obwohl ich drei Wochen in Buenos Aires war.“
Alles auf Social Media dokumentieren. Die digitale Nabelschnur ist tricky. Man läuft schnell Gefahr, ständig aufs Handy zu schielen, ob die Freunde eh das Foto geliked haben – obwohl sie vielleicht aufgrund der Zeitverschiebung gerade schlafen. Man reist nicht für seine Follower, sondern für sich selbst.

Worauf muss frau allein auf Weltreise acht geben?

Ich glaube, es hat nichts Mann oder Frau zu tun. Auf Weltreise gilt – genauso wie auch sonst – Hausverstand einschalten! Dann wird alles gut. Kommen einem dubiose Typen entgegen, wechselt man die Straßenseite. Beim Ausgehen sollte man sich nicht bis zur Besinnungslosigkeit betrinken und nachts ein Taxi nehmen. Schmuck oder teure Sonnenbrillen lässt man sowieso zu Hause. Wird ein Mann aufsässig, dreht man sich um und geht oder man holt Hilfe. Nein ist ein ganzer Satz und Selbstvertrauen ein guter Schutzpanzer. Einen Ehering als „Schutz“ habe ich nie getragen.

Was würdest du alleine auf Weltreise nie machen?

Morgens mit leerem Handy-Akku losziehen. Im Notfall Hilfe oder ein Taxi rufen zu können gibt Sicherheit. Und auch, dass man mit dem Smartphone immer Zugriff auf die wichtigsten Dokumente in der icloud hat, war beruhigend. Natürlich können Daten gehackt werden, aber zu wissen, ich habe alles digital gespeichert und schnell zur Verfügung, gab ein gutes Gefühl.

Gab es eine Situation, in der du Angst hattest?

Nein, Angst hatte ich nie. Ich wurde nie bedroht, mir wurde nichts gestohlen, ich habe mich nicht verletzt. Einzig die 16-Stunden-Zugfahrt in einem Vierer-Schlafabteil mit zwei Männern würde ich so nicht mehr machen. Eine Freundin hat mich in Indien besucht, wir fuhren gemeinsam durchs Land und dachten im Schlafwaggon wären – wie so oft in Indien – Männer und Frauen getrennt untergebracht. War aber nicht so. Die Typen waren nicht aufdringlich, aber sie begegneten uns extrem unfreundlich und rücksichtslos. In dieser Nacht habe ich kaum geschlafen :-), was aber auch an der viel zu kalten Klimaanlage lag. Da drin hatte es nicht mehr als 15 Grad und es gab nur dünne Decken.

Was würdest du heute anders machen ?

Weniger Besuche erlauben – mir haben vier Freunde unterwegs für jeweils ein paar Tage oder ein, zwei Wochen eine Stippvisite abgestattet. Das war toll, wir hatten eine wunderbare Zeit. Aber letztlich sind Weltreisende und Urlaubende schwer kompatibel, man hat einen anderen Rhythmus, muss mit anderen Budgets auskommen. Außerdem fährt man ja weg, um sich vom Alltag zumindest für ein paar Wochen oder Monate abzunabeln. Mit den Freunden reist einem auch der alte Alltag hinterher, denn die Gespräche drehen sich zwangsweise um deren Jobs, etc.

Was darf man sich von einem tinder-Date auf Weltreise erwarten?

Zuallererst hoffentlich gute Gespräche und Insider-Tipps über die jeweilige Destination. Und dann gute Dates, wahrscheinlich sogar bessere als daheim. Das liegt nicht daran, dass es außerhalb von Österreich bessere Typen gibt. Es liegt mehr an einem selbst: Auf so einer langen Reise, losgelöst von Alltag und Verpflichtungen, ist man plötzlich die wunderbare, unbekümmerte, lustige, sonnengebräunte Super-Version von sich selbst. Und weil man weiß, dass man nur ein paar Tage oder Wochen an einem Ort ist, sucht man nicht wie ein Polizeihund krampfhaft den „Fehler“.Auf Weltreise fällt das Kreuzverhör oft weg, man sucht vorrangig Anschluss und gute Gespräche – insofern eine gute Basis, den Menschen hinter dem Mann kennenzulernen. Ob dann was längerfristig draus wird? Ich wünsche es jedem. Aber eine Garantie gibt es nicht. Liebe ist immer eine Frage des richtigen Timings. Wollen zwei Menschen zur selben Zeit dasselbe? Meiner Erfahrung nach sind Weltreise-Happy-Ends wie bei „Eat. Pray. Love“ nicht die Norm. Eat Pray Love war ja übrigens auch nur eine Momentaufnahme. Die Autorin des Buchs hat den Traummann, den sie auf Reisen gefunden hat, im echten Leben für ihre beste Freundin stehen lassen, die beiden gingen eine lesbische Beziehung ein, bis die Freundin an Krebs starb.

In welchen Kulturen funktioniert tinder am besten, wo gar nicht?

Oh Gott, schwierige Frage, ich bin definitiv keine Expertin. Ich habe ja nur in sechs Städten getindert, das war weniger als die Hälfte der Destinationen, die ich bereist habe. Viel Auswahl hatte man jedenfalls in den USA und Südamerika. Wobei: In Buenos Aires schienen die Typen irgendwie alle vergeben zu sein, man musste dreimal nachfragen, ob da nicht vielleicht eine Frau und Kinder daheim sitzen und am Ende gaben sie es dann tatsächlich zu. Über Australien kann ich nichts sagen, da habe ich es nicht probiert, weil ich im Kopf noch bei meiner kanadischen Liebelei war. In Asien bringt tinder nichts – es ist dort nicht etabliert, da gibt es andere Apps. Und außerdem: groß, blondgefärbt, schwere Knochen, die Asiaten stehen nicht unbedingt auf Frauen wie mich. Indien, Tansania und Marokko - definitiv kein tinder-Länder, das hängt aber natürlich auch mit der Kultur zusammen .

Du hattest zwei besonders nette tinder-Dates - mit Richard oder Joao. Hast du die beiden wieder gesehen?

Richard habe ich wieder gesehen, wir verbrachten gemeinsam ein romantisches Wochenende in London, dann spielten wir zwei Wochen Pärchen in Siem Reap. Am Ende hat es nicht gereicht – zumindest von seiner Seite. Das hat mich traurig gemacht, aber ich kann’s nicht ändern. Ich schicke ihm alle paar Monate eine Nachricht via WhatsApp, um zu sehen, in welches Land ihn der Job gerade verschlagen hat und ob es ihm gut geht. Er ist ein toller Mann mit dem Herz am rechten Fleck, ich wünsche ihm alles Glück der Welt. Joao gratuliert mir immer brav zum Geburtstag, ich ihm auch, dann bringen wir uns auf den neuesten Stand, was sich in unseren Leben so tut. Sollte ich mal wieder in Lissabon sein, wir würden sofort essen gehen, Wein trinken und viel lachen. Generell muss ich sagen: Ich habe tolle Männer getroffen – Männer, die mir respektvoll und sehr aufmerksam begegnet sind. Es gibt also Hoffnung.

Buchtipp:

Mein Date mit der Welt, Waltraud Hable, Dumont-Verlag, um € 16,50.

Mein Date mit der Welt, Waltraud Hable, Dumont-Verlag, um € 16,50.

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