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Stimmungstief nach dem Urlaub

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Kennen Sie das Post-Holiday-Syndrom?

Vor ein paar Jahren beehrte der bekannte „ZEITmagazin“-Kolumnist und Schriftsteller Harald Martenstein unsere Bundeshauptstadt und ein paar Verlagskolleg*innen und ich hatten die Möglichkeit, ein Zwei-Tages-Seminar bei ihm zu besuchen. Er sollte uns lehren, wie man gute Kolumnen schreibt. Zwei seiner Regeln sind mir in Erinnerung geblieben. Erstens: Guter Stil kann eine schlechte Geschichte nicht wettmachen. Und zweitens: Man solle nie darüber schreiben, dass man krank ist oder dass es einem nicht gut geht, weil die Leserinnen und Leser eines keinesfalls wollten – Mitleid mit dem Kolumnisten haben.

Heute breche ich die zweite Regel. Ich liege mit einer Mörder-Erkältung am Sofa, die Jalousien sind heruntergelassen, damit mich das grelle Sonnenlicht nicht blendet. Ich heule buchstäblich Rotz und Wasser, während der Beste bei dem Traumwetter mit Freunden zum Segeln an den Traunsee gefahren ist. Die Tochter würdigt ihre leidende Mutter keines Blickes. Sie ist nach drei langen Nächten am Frequency Festival vermutlich ebenfalls ein wenig groggy.

SCHON IST DER ERHOLUNGS-EFFEKT WIEDER DAHIN

Und wie ich da so liege, Salbeitee trinke und vor mich hin sinniere, warum ich ausgerechnet jetzt, nach dem Urlaub, krank werde, wo ich doch eigentlich erholt und fit sein müsste, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: mein Bomben-Schnupfen ist wohl der körperliche Ausdruck eines Post-Holiday-Syndroms. Ich habe das gegoogelt, den Blues nach dem Urlaub gibt es wirklich und er überfällt einen, wenn man, so wie ich, alles falsch macht. Zurück im Büro gleich wieder von Null auf Hundert, keine Backup-Tage einplanen, die Kraftreserven sofort wieder voll ausschöpfen.

Gerecht ist das natürlich nicht, wenn man für seinen Ehrgeiz bestraft wird. Aber es hat auch etwas Gutes: ich kann mir endlich in Ruhe die „Wham!“-Doku auf Netflix anschauen, den neuen Roman von Doris Knecht lesen und die Kolumne von Harald Martenstein, in der er aus seinem Ibiza-Urlaub nach Berlin zurückkehrt. Darin schreibt er, gewohnt pointiert, dass er am Flughafen spätnachts stundenlang auf seine Koffer warten muss, die Stimmung immer schlechter wird, die Toiletten immer grausiger und er dann, als das Gepäck endlich da ist, kein Taxi mehr erwischt. Fast könnte er einem ein bisschen leid tun.

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