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Wie geht ein perfekter Tag?

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Den Sommer verabschieden am Mondsee

Der Beste hat wie immer an alles gedacht: Liegestühle, Stand-Up Paddle, nur den Sonnenschirm hat er vergessen. Doch den kann man ausborgen. Und so liegen wir im Halbschatten am Holzsteg und schauen auf das Wasser des Mondsees, das einmal azurblau und dann wieder smaragdgrün schimmert. Die Masten der weißen Segelboote spiegeln sich darin als weiße Striche, die zu tanzen beginnen, wenn der See leichte Wellen wirft.

Wir sind früh auf, Tage wie diese muss man nutzen. Um acht Uhr morgens sind wir von Wien losgefahren, das Auto randvoll für zwei Tage, man weiß ja nie. Reisen mit leichtem Gepäck müssen wir erst lernen. Dafür ist die Teenagertochter daheim geblieben, sie muss sich von den Partys der ersten Schulwoche erholen. 

T. und F. sind auch hier, ebenfalls ohne Tochter. Früher haben wir viel gemeinsam unternommen, weil unsere Kinder ungefähr gleich alt sind. Wir sind Freunde geblieben, weil uns mehr verbindet als die Kids. Das ist schön. Mit T. und F. ist es nie langweilig, sie sind ein sehr ungleiches Paar: Sie muss sich ständig bewegen; er bewegt sich nur, wenn es unbedingt sein muss.

SCHWIMMEN IM MILLIONENSCHWEREN SEE

T. liebt Skurriles und erzählt, dass der Mondsee einer adeligen Dame gehört und auf etwa 16 Millionen Euro geschätzt wird. Sie hat den See einst von ihrem Bruder geerbt, wollte ihn auch schon loswerden, was aber nicht so einfach ist. Sie kann das 14 Quadratkilometer große „Grundstück“ nicht wirklich nützen und wird es wohl einmal ihren Kindern hinterlassen. Zum Glück für uns darf der See zum Schwimmen genutzt werden.

Das Wasser ist erfrischend und trotzdem sanft. Ein paar ältere Badegäste lassen sich gerade darin treiben, sie haben dabei ihre Sonnenbrillen auf und man hört sie kichern, fast wie Kinder. Manchmal rumpelt der Steg ein bisschen, jemand springt ins Wasser, ein Schwan schlittert an der Seeoberfläche entlang und schlägt aufgeregt mit seinen Flügeln. Sonst: Stille.

Ich versuche, im neuen Buch von Axel Hacke weiterzulesen. Es heißt: „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte.“ Aber ich komme nicht weiter, weil mich das echte Leben gerade so vereinnahmt, auf meiner Liege, auf meinem Lieblingssteg, mit Wasserperlen auf der Haut, die das warme Licht aufsaugt wie einen innigen Kuss. Am liebsten möchte man es sich krallen und bunkern für weniger schöne Tage; es ist ja meteorologisch betrachtet längst Herbst.

„DU STEHST VERKEHRT AM BRETT!“

Ich lege das Buch weg, bevor mir die Augen zufallen und ich in den Spätsommer-Nachmittag hineindöse. Dann gehe ich stehpaddeln, obwohl man dabei immer eine komische Figur macht; vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich die Technik nicht optimal beherrsche: „Du stehst verkehrt am Brett!“, schreit der Beste vom Ufer aus. Aber der Blick! Der Blick von der Mitte des Sees auf unseren kleinen Steg und die imposante Drachenwand dahinter, alleine dafür lohnt es sich. Schnell ins Wasser, schnell wieder auf die Liege, vielleicht schaffe ich ja doch noch ein paar Seiten. 

„So soll es immer bleiben!“, sagt der Beste und holt frischen Zwetschgenkuchen und Kaffee. Und natürlich ist es gut, dass sein Wunsch nicht erhört wird. Denn genau das macht diese Tage ja so besonders, dass auch sie einmal zu Ende gehen, leider immer viel zu rasch.

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