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Erinnerungen an „Let it Be“

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Erinnerungen an „Let it Be“
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Danke, Onkel Franzi!

Stellen Sie sich eine braun gebrannte Irre mit blonder Dauerwelle und pinkem Neon-Bikini vor, die ihre dünnen Arme himmelwärts streckt und dazu rhythmisch mit den Beinen auf den Boden stampft.

Diese Irre bin ich. Im Sommer 1984, auf einem Campingplatz in Vorarlberg. Ich zelebriere einen Regentanz.

„Let it Be“ im ORF!

Der Grund: ich will auf der Stelle nach Hause. Es soll blitzen, donnern und hageln, damit meine Eltern ihr Zelt abbauen müssen und mit mir und meinem Bruder so rasch wie möglich zurück nach Wieselburg fahren. Ich muss, koste es, was es wolle, vor den Fernseh-Apparat: im Österreichischen Rundfunk, so habe ich es eben in der Programmvorschau der „Kronen Zeitung“ gelesen, soll der Film „Let it Be“, starring the one and only Beatles, ausgestrahlt werden.

Meine Eltern denken natürlich nicht daran: Sie haben einen Kajak-Kurs gebucht, den sie sicher nicht wegen der Launen einer „spinnerten 15-Jährigen“ abbrechen. Nachdem weder Argumente („Es sind die BEATLES!“), Trotz-Schweigen und Regentänze fruchten, mache ich mich mit ein paar Schillingen in der Hand auf den Weg zur nächsten Telefonzelle. Ich muss den Onkel Franzi erreichen: er ist der einzige, der einen Videorecorder hat. Eigentlich ist er gar kein richtiger Onkel, sondern der beste Freund meines Opas, aber egal: er rettet mich.

Letzter Aufritt zwischen Rauchfängen und Feuerleitern

Eine Woche später sitze ich an einem heißen Hochsommertag alleine im verdunkelten Wohnzimmer von Onkel Franzi (er wollte sich das „Geplärre“ nicht anschauen) und sehe meine Idole in den grauen Londoner Twickenham Tonstudios, wie sie ihre letzte Platte aufnehmen und für einen Live-Auftritt proben. Die Bilder zeigen – wenig glamourös – vier früh gealterte Musiker bei der Arbeit. Man sieht auch Paul’s neue Freundin Linda mit ihrer kleinen Tochter Heather. Und Yoko, offensichtlich gelangweilt, strickend neben John. Und dann zum Schluss, das letzte Konzert der Band auf dem Dach ihres Bürogebäudes, bei eisigem Wind zwischen Rauchfängen, Feuerleitern und Polizisten, die dem Spektakel schließlich ein Ende bereiten.

Bilder und Szenen, die sich tief in mein Gedächtnis geprägt haben. Jetzt fiebere ich, ähnlich wie damals, der Ausstrahlung der „Get Back“-Doku von Star-Regisseur Peter Jackson entgegen: sie wird ab 25. November auf Disney+ zu sehen sein. Insgesamt gibt es sechs Stunden Material aus den „Let it Be“-Sessions – in einer Qualität, als hätte man nicht 1969, sondern gestern erst gefilmt. Ich hoffe nur, dass die Übertragung reibungslos klappt. Weil den Onkel Franzi kann ich nicht mehr anrufen.

Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN.

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